Frauenzeitschrift "Emotion": Coach zum Glück
"Emotion" ist eine Zeitschrift für Frauen, die eigentlich keine Frauenzeitschrift lesen. Katarzyna Mol hat Gruner + Jahr das Magazin abgekauft. Jetzt bringt sie es selbst heraus.
Sie würde gut auf den Titel passen. Die fröhlichen Locken, und tanzen da nicht sogar Pünktchen in ihren Augen? "Ich habe es einfach getan!" könnte unter ihrem Bild stehen, in Pink oder Türkis. Oder: "Ich folgte meinem Herzen!" Doch die Leserin begegnet Katarzyna Mol erst auf der dritten Seite der Zeitschrift Emotion. In Schwarzweiß, neben ihr steht Dorothee Röhrig, die Chefredakteurin. Hinter Katarzyna Mols Namen steht: Herausgeberin. Beide Frauen lachen herzlich. Dieses Foto erzählt schon viel über das "Frauenmagazin", wie es auf dem Cover heißt. Eine Zeitschrift für Frauen, die eigentlich keine Frauenzeitschrift lesen.
Seit gut einem halben Jahr ist es ihre Zeitschrift. Katarzyna Mol hat dem Großverlag Gruner + Jahr im November Emotion abgekauft. Zuvor arbeitete sie dort als Verlags- und Anzeigenleiterin für das Magazin und entwickelte es 2006 auch mit. 2009 gab es dann ständig Gerüchte, G+J wolle das in München erscheinende Heft einstellen, irgendwann wollte Mol das nicht mehr hören müssen. "Ich wollte allen zeigen, was in Emotion steckt. Also musste ich mich entscheiden", sagt die 36-Jährige. Irgendwann stand sie dann im Büro von G+J-Chef Bernd Buchholz.
Es ist eine dieser Geschichten, wie sie im Heft stehen könnte, um den Leserinnen etwas für das eigene Leben zu erzählen. "Anfangs hat Buchholz die Sache nicht so ernstgenommen, er fand es "sportlich", und ich solle mal sehen, wen ich da als Investor finde", erzählt Mol. Als sie dann jedoch fündig wurde, musste er sie ernstnehmen.
Diesen Text und viele mehr finden Sie in der aktuellen vom 10./11. Juli 2010 – ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk.
Das Frauenmonatsmagazin erscheint seit Februar 2006. Im November 2009 übernahm die ehemalige Verlagsleiterin Katarzyna Mol mithilfe von Existenzgründerdarlehen und stillen Teilhabern das Heft von Gruner + Jahr. Derzeit liegt die Auflage bei rund 60.000 verkauften Exemplaren.
Die Leserinnen sind größtenteils Frauen zwischen 25 und 49 Jahren. Mit 53 Prozent ist der Anteil der Abiturientinnen und Akademikerinnen überdurchschnittlich hoch. Auch das Nettoeinkommen liegt über dem Durchschnitt.
Der Heftpreis beträgt 4,50 Euro. Einmal im Quartal wird dem Heft der Sonderteil "Women at work" beigelegt, der einzeln auch kostenlos in einer Auflage von 200.000 Stück verschickt wird, etwa an Unternehmen, Arztpraxen und Yogazentren.
Auf der Internetplattform www.emotion-coaching.de werden Beraterinnen vorgestellt und Coachdatenbanken, Tests und Foren angeboten. Im Heft wird jeden Monat die Hilfe einer Mentorin verlost. Ähnlich einem Theaterabo gibt es in München, Stuttgart, Düsseldorf und Hamburg das Angebot von fünf Vortragsabenden, die Themen behandeln wie "Die Macht der Stimme".
Mit Hilfe der Bürgerschaftsgemeinschaft Hamburg, der BTG Beteiligungsgesellschaft Hamburg, der Hamburger Sparkasse und des Privatinvestors Heiner Bente gründete Mol die "Inspiring Network GmbH & Co. KG", an der sie 72 Prozent hält und Bente 28. Ein Miniverlag mit einem klaren Konzept.
Immer wieder wird Mol mit Gabriele Fischer verglichen, die das Wirtschaftsmagazin Brand eins führt. "Ich fühle mich geehrt, aber es ist übertrieben. Ich hatte es viel leichter, Emotion war bereits bekannt, ich hatte die Marke mitentwickelt, und die Verkaufszahlen waren auch gut", sagt Mol.
Der Geldgeber wegen zog Mol mit ihren Kollegen von München nach Hamburg, in ein Loft in einer alten Tabakfabrik im Stadtteil Hoheluft: ein weites, lichtes Großraumbüro, Startup-Atmosphäre, helle Regale, in der Mitte eine Theke mit Barhockern, Lümmelsofas, in der Küche ein Tisch wie in einer WG. Mols Büro ist durch eine Glaswand vom Rest getrennt, die Tür steht offen, und diese Offenheit steht für das ganze Konzept. Denn nicht nur die Mitarbeiter sollen willkommen sein, sondern auch die Leserinnen. Das ist vielleicht der größte Unterschied zu anderen Frauenmagazinen. Emotion will tatsächlich wissen, was die Leserinnen denken - und nicht nur, in welchem Werbeumfeld sie sich am wohlsten fühlen. Das Magazin ist keine Produktschau, hier ist die Leserin das Produkt: Coaching, altmodisch Lebenshilfe, und Austausch sind die die Grundlagen des Konzepts - per Leserinnenfrühstück, Abendvortrag, Wochenendseminar.
"Die Emotion-Leserinnen verbindet das Lebensgefühl: Ich möchte inspiriert werden und möchte mich weiterentwickeln", sagt Mol. Es seien überwiegend berufstätige Frauen, zwischen 25 und 49, die sehr engagiert sind, in dem was sie tun. "Die Leserinnen sind gebildeter als die anderer Frauenmagazine, ein bisschen erfolgreicher, mit großem Interesse an Hintergrundwissen." Frauen, die Antworten suchen auf Fragen wie: Was ist mir wichtig im Leben? Was will ich erreichen? Was ist der Sinn? "Wir wissen alle, dass materielle Dinge immer weniger zu Glücksgefühlen führen. Es geht vielmehr um das bewusste innere Erleben. Darauf zielen wir ab als Coach zum Glück", sagt Mol.
Deshalb hört die Lebenshilfe nicht bei der Heftlektüre auf. Die Plattform emotion-coaching.de informiert über Vortragsabende - "Wie Frauen sich bei Machtspielen durchsetzen" -, die es im Abo gibt, und bietet Tipps zur Work-Life-Balance und Businesstests an, im Heft wird jeden Monat die Hilfe einer Mentorin verlost. In Foren können die Leserinnen sich austauschen, und jeder Leserbrief wird beantwortet. "Emotion ist Fortbildungspartnerin für die Leserin auf allen Wegen, auf denen sie sich bewegt", sagt Mol. Der violettpinkfarbene Emotion-Erkennungsfarbton weist die Richtung.
Violettpink sind auch der Stift und die Kladde, in die Katarzyna Mol sich nun Notizen macht. Ein Marketingmeeting im Herausgeberinnenbüro. Eine kleine Runde. Sieben Frauen denken über eine Emotion-Mitgliedskarte und den neuen Newsletter nach, über die Internetseite für die Anzeigenkunden und die Turnschuhe, golden, der Grafikerin, ach ja, und die eine Kollegin hat einen Krippenplatz bekommen. "Wir wohnen, äh, arbeiten hier sehr eng zusammen", sagt Mol.
Das Team
Neun festangestellte Mitarbeiter, fünf davon aus dem alten Emotion-Team, und eine Vielzahl von Freien - welch ein Kontrast zum Riesenverlag G+J. "Früher hat man einfach die 4444 gewählt, wenn man ein technisches Problem hatte, hier ist man plötzlich für alles zuständig", sagt Mol. Im Konzern sei man viel bequemer, jetzt sei das Engagement größer - und jeder näher dran am Erfolg und damit auch in der Verantwortung.
"Man steht ganz anders dahinter", sagt Katja Haars, Leiterin Vermarktung. Schon bei G+J hat sie Emotion vermarktet, jetzt genießt sie das "freie WG-Leben" im neuen Verlag. "Früher war ich ja gar nicht in das involviert, was inhaltlich passiert. Hier bekomme ich jedes Ringen um Worte mit. Das hat mein Wissen wahnsinnig erweitert." Die Kollegen rühmen die kürzeren, effizienteren Wege, ohne stundenlange Meetings, und dass sich doch jeder an allem beteiligt fühle. "Hier fühlt man sich als Macher. Es geht nicht darum, dass wir uns in Hierarchien behaupten müssen, es geht um die Sache", sagt Nicola Krämer, die für die Vernetzung von Print und Online zuständig ist. Hier kocht die Herausgeberin den Kaffee.
Nach der Übernahme haben Mol und ihre Kollegen erst mal die Distanz aus dem Heft genommen, das Spröde, aus dem Layout, den Texten, und die Rubriken verringert. Lockerer, froher wirkt es nun. Die Texte psychologisieren, ohne plump Studien nachzuerzählen. Emotion traut sich, Fragen offen - und die Leserin selbst denken zu lassen, bei Fragen wie: Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein Kind? Oder wenn zum Thema Affäre drei Meinungen, die eines Paartherapeuten, eines Buddhisten und der Leiterin einer Seitensprungagentur, vorgestellt werden.
Schwierig wird es vor allem bei den Konsumthemen. Kosmetik, Mode. "Auch die Superleserin will sich mal entspannen", sagt Mol. Statt Modestrecken gibt es die Rubrik "Mein Stil", in der Frauen sich und ihre Klamotten vorstellen. "Wir diskutieren da viel. Wir wollen es anders, intelligenter machen, einen eigenen Dreh finden. Das ist die große Herausforderung", sagt die Herausgeberin. Zu verkopft soll es ja auch nicht sein.
Über Produkte ohne plumpe Produktschau zu berichten, gelingt mal mehr, mal weniger, aber allein der Wille ist für ein Frauenmagazin schon außergewöhnlich in einer Branche, in der jene erfolgreich sind, die wie Glamour nichts als Produkthäppchen bieten, und Brigitte auf Profimodels verzichtet, um neue Anzeigenkunden zu locken. Es ist ein Versuch, Frauen ein Gehirn zuzutrauen und nicht nur die Fähigkeit, für schöne Dinge viel Geld auszugeben.
"Ich glaube, es funktioniert ganz gut", sagt Andreas Möller. Er, der ehemalige Chefredakteur von Allegra und Park Avenue, ist einer von Mols Beratern. "Wir hatten großes Glück mit dem Team", sagt er und preist die Haltung in den Emotion-Texten: "Das ist manchmal fast schon ein Heribert-Prantl-Kommentar." Möller sorgt mit für den typischen Sound des Hefts, den vor allem freie Journalisten liefern. "Die Zeit der großen Redaktionen ist für solche Magazine definitiv vorbei", sagt er. Und deshalb sitzt nebenan Olaf Köhnke. Er war bei Bauer Verlagsleiter von Wohnzeitschriften und Maxi, jetzt ist er Geschäftsführer des Redaktionsbüros "ringdrei" und organisiert für Emotion Autoren. "Die Mischung aus alten Haudegen und jungen Leuten ist es. Ich habe selten in so einer Stimmung bis in die Nächte hinein gearbeitet", sagt er und gibt ein bescheidenes Ziel vor: "Wir wollen gar nicht in den Himmel wachsen, sondern das machen, woran wir glauben: eine gute Frauenzeitschrift."
Bei 60.000 Exemplaren liegt die Auflage derzeit, unter der neuen Herausgeberin legt das Magazin stetig zu. "Wir wollen bis Ende des Jahres deutlich wachsen", das hat sich Katarzyna Mol vorgenommen. "Der Druck als kleiner Verlag ist ungleich größer, man spürt jede Erlösveränderung", sagt sie. "Aber man kann mit persönlichem Engagement auch mehr bewegen." Mit Hilfe des Teams, ihres Freundes und ihrer Mutter, mit der sie 1981 aus Polen nach München kam, hält sie den Druck aus, beflügelt davon, genau das zu machen, was sie immer wollte: eine Frauenzeitschrift.
Die Berufung
In ihrem Büro liegen zig Magazine im Halter, The Oprah Magazine, Harvard Business Manager, Architektur & Wohnen und Healthy Living, von Marie Claire, der längst eingestellten Frauenzeitschrift, besitzt die promivierte Juristin jede Ausgabe. "Es war immer mein Traum, da mal zu arbeiten. Marie Claire war ein intelligentes Magazin, das die Frauen ernstnahm." Nach dem Studium fing sie als Marketingpraktikantin bei der Financial Times Deutschland an, ging später als Assistentin des Verlagsgeschäftsführers "Frauen Familie People" zu G+J nach München, dann zur PM-Gruppe, wo sie bald für Emotion kämpfte. Ein gutes Training. "Und ich habe sämtliche Vorträge besucht, die der Verlag angeboten hat."
Und wenn es mal nicht so läuft, dann coacht Mol sich selbst: "Ich sage immer: Man muss die eigene Berufung finden. Dann ist es okay, zehn oder zwölf Stunden zu arbeiten, denn positiver Stress kann auch viel Energie produzieren." Katarzyna Mol ist die oberste Emotion-Ratgeberin - und zugleich vielleicht ihre beste Leserin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene