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Frauenrechte in die Verfassung

■ Staat soll dauerhafte Lebensgemeinschaften statt Ehe schützen/ SPDlerinnen fordern präzisere Frauen- und Kinderrechte im Grundgesetz/ Frauenspezifische Asylgründe sollen verankert werden

Bonn (epd/taz) — Für dauerhafte Lebensgemeinschaften anstelle von Ehe und Familie soll nach dem Willen der SPD im Grundgesetz ein besonderer Schutz des Staates verankert werden. Die Zunahme der Zahl Alleinerziehender und eheähnlicher Lebensgemeinschaften machten diese Verfassungsänderung notwendig, erklärte die SPD-Abgeordnete Ulrike Mascher gestern bei der Vorstellung eines Katalogs von Frauen- und Jugendrechten. Die Vorschläge sollen von den sozialdemokratischen Parlamentarierinnen bei den Beratungen der Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat eingebracht werden.

Der staatliche Schutz solle nicht mehr an die Eheschließung geknüpft werden. Vielmehr sollten sich staatlicher Schutz und Förderung auf Lebensgemeinschaften mit Kindern oder Pflegebedürftigen konzentrieren. In dem SPD-Vorschlag tauchen die Begriffe Ehe und Familie, die bisher im Grundgesetz unter besonderem staatlichen Schutz stehen, nicht mehr auf. Wenn auch künftig die Ehe ausdrücklich erwähnt werden müsse, um die Gleichstellung anderer Formen des Zusammenlebens zu erreichen, so die SPD-Politikerin Erika Simm, könne man damit leben.

Auf staatlichen Schutz soll den SPD-Forderungen zufolge nicht nur Anspruch haben, wer Kinder erzieht. Er müsse sich darüber hinaus auch auf die Sorge für andere erstrekken. Besondere Unterstützung müsse dabei für Alleinerziehende sowie werdende Mütter im Grundgesetz festgeschrieben werden.

Zur Begründung der SPD-Forderungen sagte die Abgeordnete Edith Niehuis, die Umsetzung des Gleichberechtigungsgebotes im Grundgesetz sei nach 40 Jahren kläglich gescheitert. Noch immer seien Frauen in vielen Bereichen benachteiligt, ihre Einkommen lägen um ein Drittel unter denen von Männern, ihr sozialer Schutz sei geringer, und sie seien häufiger als Männer arbeitslos. Der Staat soll deshalb nach den SPD- Vorschlägen durch eine Verfassungsergänzung verpflichtet werden, für den Abbau dieser Diskriminierung zu sorgen. Über eine weitere Vorschrift solle sichergestellt werden, daß spezielle Fördermaßnahmen für Frauen bis zur Beseitigung dieser Benachteiligung nicht als Bevorzugung zu werten seien.

Weitere Vorschläge sehen den besonderen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor. Im einzelnen setzt sich die SPD dafür ein, das Prinzip der gewaltfreien Kindererziehung sowie ein Verbot der Kinderarbeit in den Katalog der Grundrechte aufzunehmen. Die Abgeordnete Simm bezeichnete es als Skandal, daß in Westdeutschland mindestens 400.000 Kinder regelmäßig arbeiteten.

Daneben fordern die SPD-Frauen eine Präzisierung des Grundrechts auf Asyl, wonach auch Verfolgung aufgrund des Geschlechtes und gleichgeschlechtlicher Orientierung als Asylgründe zu gelten hätten. Um die noch ungenügende Vertretung von Frauen in Verfassungsorganen zu verbessern, streben die SPD-Politikerinnen an, daß sowohl das Bundesverfassungsgericht und die obersten Bundesgerichte zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. Auch der Bundestag sollte mindestens zur Hälfte aus Frauen bestehen.

So manche jetzt von SPDlerinnen formulierte Forderung findet sich schon im Entwurf des Frauenpolitischen Runden Tischs in Berlin. Anfang des Jahres hatte dieser eine verfassungsrechtliche Verankerung von Frauenrechten gefordert. Der „Arbeitskreis Verfassung“ dieser wiederbelebten Institution der Runden Tische analysierte als Reformkonsens, daß die Ehe nicht mehr verfassungsmäßig privilegiert werden solle. Um der Diskriminierung anderer Lebensformen entgegenzuwirken, forderte er explizit die Einführung des Begriffs „Lebensgemeinschaft“ statt „Ehe“. Außerdem sollten Frauen und Männern, die Kinder erziehen oder Pflegebedürftige betreuen, wirksam gefördert werden. Daneben sollte das neu formulierte Grundrecht eine besondere Unterstützung Alleinerziehender enthalten und die Rechtsstellung von Kindern ausbauen.

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