Frauenrechte in Uganda: Korruption im Kreißsaal
16 Frauen sterben täglich in Uganda bei der Geburt, weil sie Hebammen und Ärzte nicht bestechen können. Jetzt ist der Fall vor dem Verfassungsgericht.
KAMPALA taz | Die erste Anhörung macht den Anschein einer Trauerfeier. Knapp hundert Frauen drängeln sich in den Saal von Ugandas Verfassungsgericht in der Hauptstadt Kampala. Die meisten tragen schwarze T-Shirts mit der Aufschrift "Nicht noch ein unnützer Tod". Als die Richterinnen und Richter erscheinen, steht Anwalt David Kabanda auf und verliest eine Petition: "Der Staat verletzt die durch die Verfassung garantierten Rechte auf Gesundheit, den Mutterschutz und das Recht auf Leben."
Kabanda spricht im Namen von Goodfrey Kisiga, der in der ersten Reihe im Gerichtssaal sitzt. Dessen Mutter starb 2009 im Kreißsaal bei der Geburt von Zwillingen. "Das erste Kind wurde geboren, aber das zweite lag irgendwie schief im Bauch", erzählt der 23-Jährige. Doch die Ärzte hätten sich geweigert, einen Kaiserschnitt vorzunehmen. "Sie verlangten Geld und wollten ihr ohne Bezahlung nicht helfen", sagt er. Doch die Familie hatte kein Geld.
Nach acht Stunden in Wehen starb die Mutter - und das Baby im Bauch mit ihr. "Sie hätte nicht sterben müssen, wenn die Ärzte und Hebammen ihr geholfen hätten", fügt Kisiga hinzu. Jetzt muss der junge Mann sich um seine sieben Geschwister kümmern, der Vater hat sich aus dem Staub gemacht.
Doch Kisiga hat Unterstützung gefunden. Knapp 30 Frauenrechtsorganisationen haben sich zusammengeschlossen, um den Staat vor dem Verfassungsgericht zu verklagen. Kisigas Mutter ist kein Einzelfall. Die US-Organisation Healthgap, die diese Klage finanziell unterstützt, hat ausgerechnet: 16 Frauen sterben täglich in Uganda im Mutterbett. Das sind 435 Frauen pro 100.000 Geburten. "Diese Zahlen stagnieren in den vergangenen zehn Jahren, obwohl die Wirtschaft boomt und diese Regierung darauf stolz ist", erklärt Asia Russel, Ugandas Vertreterin von Healthgap.
Zweithöchste Geburtenrate weltweit
Für die Korruption im Kreißsaal gibt es vor allem finanzielle Gründe. Ärzte und Hebammen werden nur unregelmäßig bezahlt, die Gehälter sind gering. Kliniken und Geburtshäuser haben kaum Medikamente oder Chirurgenhandschuhe, um sich gegen HIV-Infektionen zu schützen. Das Jahresbudget für den Gesundheitssektor betrug im vergangenen Haushaltsjahr lediglich umgerechnet 270 Millionen Dollar. In diesem Haushaltsjahr, das Anfang Juli begann, wurde es immerhin auf 412 Millionen erhöht. Im Vergleich: Die Regierung hat sich kürzlich sechs Kampfjets im Wert von 744 Millionen Dollar geleistet.
Uganda hat nach Nigeria die höchste Geburtenrate weltweit. Das eigentliche Problem ist, dass bereits an allerhöchster Stelle im Gesundheitsministerium Geld veruntreut wird. Ein Beispiel: Vor fünf Jahren hatten Beamte Millionen Dollar aus dem Globalen Aids-Fonds veruntreut, die gespendet wurden, um Aids-Kranke mit Medikamenten zu versorgen.
Derzeit untersucht das Gesundheitsministerium die Veruntreuung von rund 300.000 Dollar, die für Gelbfieber-Impfungen bestimmt waren. Ähnlich verschwinden auch die Spendengelder für die sogenannten Mama-Geburtspakete - Pakete mit Rasierklingen, Handschuhen, Klemmen für die Nabelschnur und Mullbinden, die internationale Partner den Geburtskliniken zur Verfügung stellen. Deswegen müssen schwangere Frauen zur Geburt diese Dinge selbst mitbringen.
"Warum sollte eine schwangere Frau krank in die Klinik kommen und der Arzt sagt zu ihr: Bezahl mich oder ich operiere dich nicht?", sagt Anwältin Nool Musisi. Sie leitet die Organisation "Soziale Gerechtigkeit im Gesundheitssektor" und hat die Klage mitformuliert. Dass das Verfassungsgericht sie zugelassen hat, ist für sie bereits ein Meilenstein.
Doch Staatsanwältin Patricia Mutesi verlangt bei dieser ersten Anhörung mehr Zeit, um von Seiten des Gesundheits- und Finanzministeriums Stellungnahmen und Beweise für die Verteidigung einzufordern. Dies könne aufgrund der Sommerpause rund drei Wochen dauern, sagt sie. Kisigas Anwalt Kabanda steht empört auf und wendet sich an die oberste Richterin: "Jeder Tag kostet 16 schwangeren Frauen das Leben", sagt er eindringlich. Doch diese zeigt sich wenig beeindruckt und vertagt den Fortgang des Verfahrens auf nach der Sommerpause.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure