: Frauenförderung im Hause Fischer
Frauen sollen gefördert werden. Alle neu zu besetzenden Stellen im öffentlichen Dienst müssen ausgeschrieben werden. Auswahlgremien sollen paritätisch mit Männern und Frauen besetzt sein. Bei gleichwertiger Eignung werden Frauen in Bereichen/Berufen/ Funktionen und Besoldungsgruppen so lange vorrangig eingestellt, wie sie unterrepräsentiert sind. Zeiten der Kinderbetreuung und bisherige Teilzeitarbeit dürfen nicht zum Nachteil der Bewerberin gewertet werden. Das gilt auch für Beförderungen und Höhergruppierungen. Haus– und Familienarbeit kann als Qualifikation gelten. Und es gibt amtsinterne Frauenbeauftragte. Seit September letzten Jahres ist dieser Frauenförderplan nun in Kraft. Leider gilt er nur für das hessische Umweltministerium und seine nachfolgenden Behörden. Einen Tag nach seinem Amtsantritt hatte Minister Fischer versprochen, daß er etwas für seine Frauen tun werde. Glücklicherweise arbeitete bereits die ÖTV zusammen mit Feministinnen an Plänen zur Verbesserung der Situation der Frau im Arbeitsleben. So war denn die Grundlage eines Frauenförderplans vorhanden, den man sich zwar besser hätte wünschen können, zu dem es aber auch kein Alternative gab. Immerhin, der Plan sei der weitestgehende, revolutionärste, verbindlichste seiner Art und der erste überhaupt, der „von unten“ käme, begeistern sich die zwei Mitarbeiterinnen Birgit Laubach, Rechtsanwältin und Gruppenleiterin bei der hessischen Frauenbehörde, und Renate Krauß–Pötz, Gewerkschaftssekretärin der ÖTV. So gab es denn plötzlich Frau enbeauftragte im hessischen Ministerium für Umwelt. Auch wenn sie sonst hinter der Schreibmaschine sitzen und ihre Arbeit tun. Einige sind auch Ingeneurin und technische Zeichnerin. Doch was für ein Schlamassel, ein so schöner Förderplan mit lauter Bestimmungen die von Amts wegen eingehalten werden müssen, aber niemand weiß Bescheid. Dafür waren Ende vergangener Woche zwei Tage Fortbildung angesetzt. Wir sind im Odenwald, draußen scheint die Sone und macht die Welt glitzrig und verheißungsvoll. Hier werden die nagelneuen Frauenbeauftragten des hessischen Umweltministeriums im Feminismus geschult. Zwischen den Frauen sitzt Fischers Staatssekretär Karl Kerschgens, der zwar freundlich guckt, aber ansonsten den Mund hält. Jedes Amt, das zum Umweltministerium gehört, hat eine eigene Frauenbeauftragte. Aber die 22 Frauen, die dieses Amt bekleiden, sind ziemlich unschlüssig, was ihre Funktionen und Kompetenzen angeht. Aufklären sollen sie die bereits zitierten Birgit Laubauch und Renate Krauß–Pötz, die als Referentinnen durch die Tagung führen. Etwas ratlos lauschen die Frauenbeauftragten dem Vortrag von Birgit Laubach, die betont, daß es darum ginge, weibliche Lebensmuster im Erwerbsleben zu manifestieren. Nicht das Anpassen an männliche Normen sei Ziel eines Frauenförderplanes, sondern die Utopie der veränderten Bedingungen. Die hier sitzen wissen immer noch nicht mehr. Woher auch. Zu den meisten von ihnen kam eines Tages der Chef, setzte sich auf die Schreibtischkante und machte ihnen den Vorschlag, Frauenbeauf tragte zu werden. Die wenigsten sind gewählt worden. In einigen Ämtern gab es auch danach noch Beförderungen, ohne eine Frauenbeauftragte zu befragen. Andere Amtchefs waren der Meinung, die Frauenbeauftragte müsse jetzt Berichte für sie schreiben. Das stimmt alles nicht. Die eigentliche Aufgabe einer Frauenbeauftragten ist die der Überwaschung. Sie muß den Männern auf die Finger gucken und aufpassen, daß der Frauenförderplan eingehalten wird. Wird sie übergangen, kann sie sich beim Dienststellenleiter beschweren. Mehr kann sie nicht. Drohen kann sie dem Dienststellenleiter höchstens damit, daß er seinen jährlichen Bericht schreiben muß, der ablegt, was er an Frauenförderung getrieben hat. Ein typischer Frauenjob mit nichts in der Hand. Aber Überzeugungsarbeit nach Strich und Faden; aufpassen, daß die Bestimmungen eingehalten werden. Daß Stellenausschreibungen im Sinn des Erlasses richtig behandelt werden, daß Frauen vorrangig berücksichtigt werden. Und die eigene Arbeit bleibt solange liegen. Die Diskussion dreht sich um die Frage der Gerechtigkeit. In einer kleine Behörde werde man seines Lebens nicht mehr froh, wenn plötzlich Frauen bevorzugt und Männer, die zwanzig Jahr gedient haben, auf Beförderungen verzichten müßten. Das schaffe Neid und Konkurrenz am Arbeitsplatz. Wie kann man gerecht sein? Daß es gilt, historische Ungerechtigkeiten zu beseitigen, stößt auf allgemeine Unzufriedenheit; auch daß es hier offensichtlich keine Lösung gibt. Daß die Frauenbeauftragte als einzige allein im Amt gegen ein Männergremium darauf bestehen muß, daß eine Frau eingestellt wird, wird als sehr bedrohlich empfunden; auch nachdem die beiden Referentinnen noch mal betonen, daß es gar nicht Aufgabe der Frauenbeauftragten ist, den Förderplan durchzusetzen. Wie die Männer im einzelnen auf das neu eingerichtete Amt reagieren, höre ich so nebenbei: Die einen machen dauernd einen Hofknicks, die anderen haben Angst, daß sie jetzt immer stramm stehen müssen, die dritten flachsen nach einem Männerbeauftragten. Sobald die neue Frauenbeauftragte in der Kantine oder sonstwo auftaucht, gibt es Geraune und Geflüstere, manchmal aber so produktiv, daß anschließend über die Pläne und Frauenbelange diskutiert werden kann.
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