: Frauen als Subjekte
■ Hat sich der Spielraum feministischer Filme erweitert? / Wie haben sie weibliches Begehren umgesetzt? / Der gelungene Sammelband „Blaue Wunder“ geht diesen Fragen nach
Die Frauenfilme der 70er Jahre befaßten sich, meist realistisch-schwermütig, mit Themen, die eng an die Frauenbewegung und deren politische Forderungen geknüpft waren: Paragraph 218, Frauenhäuser, Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz. Bekannte Regisseurinnen wie Margarethe von Trotta und Helke Sander berichteten dokumentarisch und in Spielfilmen von der Situation der Frau als Opfer und Objekt gesellschaftlicher Unterdrückung.
Zehn Jahre später haben sich die Räume und damit die Ausdrucksmöglichkeiten für feministische Filmschaffende vergrößert. Der Frauenfilm wurde zum Phantom erklärt und kommt jetzt als feministischer, sprich antisexistischer Film daher. Ein neues weibliches Selbstbewußtsein zeigt sich in der Arbeit mit Animation, Video und Experimentalfilmen. Autorenfilmerinnen wie Mara Mattuschka, Claudia Schillinger und Cléo Uebelmann befassen sich mit neuen Themen wie weiblicher Körpererfahrung und Sexualität. Zum ersten Mal wird die Frau als Subjekt inszeniert. Seit 1984 schafft zudem das Kölner FrauenFilmFestival Feminale dem feministischen Film ein Forum. Der im Hamburger Argument Verlag erschienene Sammelband Blaue Wunder, im Rahmen der Feminale entstanden, blickt in Filmbeschreibungen, -analysen und Regisseurinnenportraits auf wichtige Festivalfilme zurück.
Alle 15 Autorinnen des Bandes gehen in ihren teils nüchtern-akademischen, teils eloquent-pointierten (Annette Brauerhoch! ) Beiträgen der Frage nach, wie weibliches Begehren in den letzten zehn Jahren filmisch umgesetzt wurde. Die Texte sind, wie übrigens die Filme auch, nicht immer leicht zu erobern. Ihre Rhythmen sind eigenwillig, oft entziehen sie sich einem systematischen Zugriff.
Das gilt (naturgemäß natürlich!) für die Beiträge, die sich den Experimentalfilmen widmen. Beim Lesen wird es immer dann besonders spannend, wenn die Wörter den Film sinnlich erfahrbar machen. Ein gelungenes Beispiel ist Annette Försters Analyse von Elfi Mikeschs Spielfilm Macumba. Ein spürbar engagierter Text, der sich glühend der „quadratischen Denkordnung“ verweigert, Methodik hinter sich läßt, Annäherungsversuche vornimmt und nebenbei noch Interessantes zur Arbeitsweise der Mikesch zu berichten weiß.
In der Frauen-/Lesbenszene heftig umstritten ist das Thema „lesbische Pornographie“. Karin Jurschick, eine der Herausgeberinnen, ruft in ihrem intelligent-kaltschnäuzigen Beitrag mit dem hintersinnigen Titel „Die Sexlösung“ mutig dazu auf, die „Schrecken der Lust (-Produktion) noch weiter auszuloten“.
Blaue Wunder ist mit Sicherheit ein geeignetes Buch für diejenigen, die sich einen Überblick über den aktuellen Stand der feministischen Filmtheorie und -analyse verschaffen wollen. Wer lieber „Filme gucken“ will, geht zur nächsten Feminale oder wendet sich an den jeweiligen Filmverleih (Angaben befinden sich im Buch).
Karin Midwer
Eva Hohenberger, Karin Jurschick (Hg.): Blaue Wunder. Neue Filme und Videos von Frauen 1984 bis 1994; Argument Verlag, Hamburg 1994; 288 Seiten, 29 DM
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