Frankreich dementiert 300-Milliarden-Plan: Europa streitet über Rettungspläne
Nicolas Sarkozy dementiert, einen europäischen Hilfsfonds in Höhe von 300 Milliarden Euro vorgeschlagen zu haben. Berlin hatte den Vorstoss scharf kritisiert.
PARIS/BERLIN afp/dpa/reuters Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat dementiert, einen europäischen Rettungsfonds für die Bankenbranche vorgeschlagen zu haben. Er habe weder einen solchen Fonds vorgeschlagen noch angeregt, diesen mit 300 Milliarden Euro auszustatten, sagte Sarkozy am Donnerstag in Paris.
Deutschland hatte Frankreich zugeschriebene Pläne, ein ähnliches Hilfspaket wie in den USA zu schnüren, strikt abgelehnt. Französische Medien hatten unter Berufung auf ungenannte Quellen gemeldet, dass Frankreich einen 300 Milliarden Euro schweren Fonds plane, für den jedes EU-Land drei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes zur Verfügung stellen solle. Der Elysée-Palast bestätigte nun offiziell ein Gipfel-Treffen zur Finanzkrise am Samstagnachmittag in Paris. Daran sollen die Staats- und Regierungschefs der europäischen G-8-Staaten Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritanniens teilnehmen.
"Es wurden in einem sehr frühen Stadium Ideen ausgetauscht, es gibt keinen französischen Vorschlag", hieß es zu den angeblichen Plänen für den Rettungsfonds aus dem Pariser Finanzministerium. Der Plan eines europäischen Rettungsfonds sei aber von Frankreich "zu keinem Moment" vorgebracht worden. Der Vorschlag, einen solchen Fonds mit 300 Milliarden Euro auszustatten, stamme von den Niederlanden. "Den Franzosen werden unbegründete Vorwürfe gemacht."
Die Niederlande bestätigten, dass sie einen solchen Fonds vorgeschlagen haben. "Idee ist, dass jeder Mitgliedstaat Mittel für Kapitalspritzen an Finanzinstitute zur Seite legt, falls diese in Schwierigkeiten kommen", sagte eine Sprecherin des niederländischen Finanzminsiteriums in Den Haag. Einen Betrag für den Fonds nannte sie nicht. Laut Presseberichten wollen die Niederlande, dass jedes EU-Land drei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes einzahlt.
Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde sagte der Zeitung Le Figaro am Donnerstag, dass derzeit über Ideen beraten werde, es aber noch keinen konkreten Plan gebe. Am Vortag hatte sie in einem Interview mit dem Handelsblatt von einer "europäischen Auffanglösung" gesprochen, ohne jedoch Zahlen zu nennen.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück lehnt ein solches gemeinsames europäisches Rettungspaket ab. Steinbrück sagte am Donnerstag dem Wall Street Journal laut dessen Internet-Seite: "Ich sehe keine Notwendigkeit für Deutschland, sich mit drei oder vier Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in ein solches Programm einzustellen ohne zu Wissen, was mit diesem deutschen Geld letztlich erreicht wird und ob man konkrete Probleme damit lösen kann."
Auch Bundeskanzlerin Merkel machte nach Informationen der Financial Times Deutschland bei der Kabinettssitzung am Mittwoch deutlich, dass sie die Idee eines Rettungsfonds ablehnt. "Da hoffen viele, sich Geld aus Deutschland zu verschaffen", sagte ein Regierungsvertreter laut "FTD". Jedes Land müsse aber selber handeln. Merkel sagte der "Bild"-Zeitung vom Donnerstag, der Bund könne und wolle "keinen Blankoscheck für alle Banken ausstellen, egal, ob sie sich verantwortungsvoll verhalten oder nicht".
Am Samstag will auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy in Paris ein Gipfeltreffen im Elysée-Palast in Paris abhalten, um über europäische Antwort auf die Finanzkrise zu beraten. Neben den vier Staats- und Regierungschefs der europäischen G-8-Länder hat Sarkozy zu dem Treffen auch EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, sowie den Vorsitzenden der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, geladen. Sarkozy hatte den Mini-Gipfel als Vorbereitung für einen "Weltgipfel" zur "Neugründung des internationalen Finanzsystems" angekündigt.
Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker hält wie die Bundesregierung nichts von französischen Überlegungen für ein eigenes riesiges Hilfepaket der Europäer für die Finanzbranche. "Ich sehe nicht die Notwendigkeit, dass wir ein derartiges Programm in Europa auflegen müssen", sagte Juncker am Donnerstag dem Deutschlandradio Kultur, ohne dabei aber direkt den französischen Vorschlag zu nennen. Die Krise komme aus den USA, sei dort viel tiefer und müsse vornehmlich dort und von dort gelöst werden.
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