Frankfurter Wirte protestieren: Montagsdemo gegen Rauchverbot
Äppelwoi, Handkäs mit Musik, aber keine Zigarette. Seit Anfang Oktober darf in hessischen Lokalen nicht geraucht werden. Frankfurter Wirte rufen zur "Montagsdemo" auf.
FRANKFURT taz Es sind vor allem ihre Stammgäste, die Christel Hofmann vermisst. Ihre Umsätze seien etwa um die Hälfte zurückgegangen, seit in hessischen Clubs, Restaurants und Kneipen nicht bzw. nur in getrennten Räumen geraucht werden darf, klagt die Betreiberin der "Äpplergalerie" im Frankfurter Kneipen- und Touristenviertel Alt-Sachsenhausen. Gerade diejenigen Gäste, die das Wirtshaus als Kommunikationsort schätzten, blieben nun weg. "Die typische Kneipenkultur ist komplett flöten!" Wohin die Gäste verschwunden sind? "Die holen sich zwei Kisten Bier oder ein paar Flaschen Äppelwoi und treffen sich privat." Die Skat- und Doppelkopfrunden würden in Privatwohnungen verlegt, auch Darts spiele man daheim im Partykeller.
Doch das will Christel Hofmann, 42 Jahre alt und ein zierliches Energiebündel, nicht tatenlos hinnehmen. Deshalb ist sie seit dem 1. Oktober, seit dem Inkrafttreten des hessischen Gesetzes zum Nichtraucherschutz, gemeinsam mit anderen Frankfurter Wirten auf der Straße. Montag für Montag geht es mit Musik, Tröten und Pfeifen durch Sachsenhausen, selbst wenn es bislang nur wenige hundert statt der erhofften mehreren tausend waren, die sich dem Protest der Wirte anschlossen.
Dabei legen die Gastronomen Wert darauf, dass es ihnen nicht nur ihre Umsätze und die "Kneipenkultur" geht, sondern um mehr: um die Freiheit der Bürger und die Freiheit der Unternehmer, die sie durch das Rauchverbot bedroht sehen. "Wirte wollen selbst entscheiden - Und die Bürger auch!" ruft Christel Hofmann mit heiserer Stimme ins Megafon.
Genauso sieht es Heidrun Frank, die 60-jährige Chefin der kleinen Kneipe "Hoppla" in der Großen Rittergasse, die an diesem Montag an die Demonstration anführt. Immer wieder wiederholt sie, dass sie selbst nicht rauche, sich aber nicht entmündigen lassen wolle. Neben diesen allgemeinen Einwänden weiß sie auch pragmatische Argumente vorzutragen: Gerade für die Einraumkneipen, die keinen Platz zum Abtrennen eines separaten Raucherraumes haben, bedeute das Rauchverbot den Ruin. Sie fordert deshalb, dass die kleinen Gastronomiebetriebe selbst entscheiden können, wie sie ihre Lokal ausweisen. Als Nichtraucherlokal oder eben als Raucherlokal.
Das Problem der Einraumkneipen hat Christel Hofmann nicht. Im großen Erdgeschoss ihrer "Äpplergalerie" könnte sie hinter dem Tresen durchaus einen separaten Raum einrichten. Aber sie betreibe eine Gaststätte und "keinen Zoo, wo die Raucher hinter Glas gehalten werden", sagt sie entschieden.
Ein anderer Wirt mischt sich in das Gespräch ein. Er habe einen Raucherraum eingerichtet, sagt er und erzählt vom absurden Erfolg seines Nichtraucherschutzes: "Meine zwei Nichtraucher setzen sich auch ins Raucherzimmer, damit sie sich unterhalten können. Seither liegen leider 60 Prozent meiner angemieteten Gewerbefläche brach!"
"Das ist Kneipenmord!"
Christel Hofmann will das aber nicht. Sie ist Alt-Sachsenhausen aufgewachsen, in der über die Grenzen der Stadt bekannten Touristenattraktion Klappergasse. Zuvor war sie in der Immobilienbranche tätig, bis ihr Arbeitgeber vor vier Jahren Konkurs anmeldete. Damals ließ sie ihr denkmalgeschütztes Elternhaus renovieren, in dem schon ihre Urgroßmutter eine Bierwirtschaft betrieben hatte. Im Erdgeschoss und im Keller richtete sie ihre "Äpplergalerie" ein. Ein Familienbetrieb. Sohn und Tochter müssen in ihrer Freizeit mithelfen, die Gewinnspanne ist knapp kalkuliert. "Angestellte kann ich mir nicht leisten", sagt sie.
In ihrer "Äpplergalerie" dreht sich alles um "Äppelwoi", der klassischerweise mit "Handkäs mit Musik" kredenzt wird - einem in Zwiebeln, Essig, Öl und Paprika marinierten Sauermilchkäse. Zudem verkauft sie allerlei Krimskrams rund um das hessische Nationalgetränk: die "Bembel" genannten Steingutkrüge, die geriffelte Apfelweingläser, Apfelliköre, dazu Frankfurtensien, Bücher, Souvenirs. Ihr Konzept sei "stimmig" und richte sich nicht nur an Touristen, sondern auch an Einheimische. Ihre Ideen will sich Christel Hofmann nicht "verwässern" lassen, auch nicht von einem Raucherséparée.
Die Kritik am Termin der Raucherdemos weisen Heidrun Frank und Christel Hofmann zurück. Niemand habe sich dabei je auf die Leipziger Bürgerrechtler 1989 oder die Demonstrationen gegen den Sozialabbau 2004 beziehen wollen. In kleinen Lokalen sei nun mal nur montags Ruhetag und die Wirte hätten Zeit zum Demonstrieren.
Trotz der eher geringen Teilnehmerzahlen sind die Wirte guter Dinge, zumal auch in anderen Bundesländern die Nichtraucherschutzgesetze infrage gestellt werden. Die bayerischen Wirte, die mit den härtesten Bestimmungen zu kämpfen haben, wollen Großdemonstrationen durchführen. Und der Deutsche Hotel-und Gaststättenverband sowie Wirte aus Niedersachsen und Baden-Württemberg haben Klage gegen das Rauchverbot eingereicht, die sie notfalls vor dem Bundsverfassungsgericht ausfechten möchten.
Auch Heidrun Frank verlässt sich nicht allein auf Appelle und Unterschriften für eine Petition im hessischen Landtag. Sie glaubt, dass auch ein Antrag auf eine einstweilige Verfügung Erfolg haben könne. Die habe bis zu einer Gerichtsentscheidung aufschiebende Wirkung. "Vielleicht können wir die Aschenbecher noch vor Weihnachten wieder auf den Tisch stellen."
Der juristische Weg werde 10.000 Euro kosten. Dafür wirbt sie bei den inzwischen über 200 Wirten, die sich in der Initiative "Frankfurter Gastronomiebetriebe in politischer Eigenverantwortung" zusammengeschlossen haben. Wenn 30 Kneipen mitmachten, rechnet Heidrun Frank vor, koste das jeden Wirt 350 Euro, bei 60 nur noch die Hälfte.
Sie betont, dass es nicht nur um Einzelinteressen gehe, sondern um einen verfassungswidrigen Eingriff in die Bürgerrechte. "Heute ist es das Rauchen! Und morgen? Prohibition vielleicht?" Schon die preußische Obrigkeit habe es bekämpft, dass sich das gemeine Volk dem Tabakgenuss hingebe, der anfangs den höheren Ständen vorbehalten war. Tatsächlich hieß es 1848 in der Neuen Preußischen Kreuzzeitung, dem Organ der Reaktion gegen die Märzrevolution: "Die Cigarre ist das Scepter der Ungeniertheit. Mit der Cigarre im Mund sagt und wagt ein junges Individuum ganz andere Dinge, als es ohne Cigarre sagen und wagen würde." Berliner Arbeiter hingegen forderten damals: "Freiet Roochen - ooch im Tiergarten!"
Während dieses historischen Exkurses zieht die Demonstration am Südbahnhof vorbei, an Traditionslokalen wie dem "Kanonesteppel" und dem "Feuerrädche". Die Schweizer Straße, eine Hauptverkehrsader, wird besonders langsam passiert. Die Wirte haben sich einen Schlager umgeschrieben, den sie immer wieder mit Inbrunst mitsingen: "Die kleine kleine Kneipe in unserer Straße ist kaputt, weils nicht raucht an der Bar!"
Als die Demonstration an Rauchern vorbeizieht, die frierend vor Kneipentüren stehen, geht Heide Frank auf sie zu. "Kommt in die Puschen! Macht was gegen die Entmündigung! Wartet nicht, bis es noch kälter wird!" Lust mitzulaufen hat niemand. Aber immerhin bezeugen die Raucher ihr Wohlwollen. Das ist schon etwas, zumal es schon Fälle gab, wo eifrige Nichtraucher Wirte bei den Behörden denunziert haben, die sich nicht an das Rauchverbot hielten.
Auf den Plakaten werden vor allem Ministerpräsident Roland Koch und seine Landesregierung angegriffen: "Kneipenkiller!" steht auf einem, "Rauchverbot - Kneipenmord!" auf einem anderem. Und: "Tote Kneipen - Tote Stadt!"
Im Januar wird in Hessen gewählt. Dass Koch sich bei der Europäischen Union für den Erhalt der Bezeichnung "Apfelwein" für das ganz und gar nicht traubenhaltige "Stöffche" einsetzte, hat ihm bisher nur den Spott der Opposition, nicht aber die Gunst der Gastronomen eingebracht. "Ich hoffe", ruft Heidrun Frank, "ihr wisst alle, wo ihr euer Kreuzchen macht!" Da käme dann allerdings nur die FDP infrage, die als einzige Partei im Landtag gegen das Nichtraucherschutzgesetz stimmte und versuchte, sich bei einer Kundgebung der Wirte Mitte Oktober auf dem Frankfurter Römerberg an die Spitze der Bewegung zu setzen. Die allerdings blieb parteiübergreifend. Linke Autonome, die sich seit Jahren für die Aufhebung der Sperrstunden engagieren, befürworten die Proteste. Und auch die rechten "Republikaner" im Frankfurter Stadtparlament haben ihre Unterstützung bekundet.
Die Wirte wollen weiterdemonstrieren, auch an diesem Montag, wieder um 18 Uhr am Frankensteiner Platz unter dem Denkmal des Heiligen Georg, der den Drachen besiegte. Manche Wirte haben sich anderweitig beholfen. Sie spannten über ihre Hinterhöfe Planen, stellten Heizpilze auf und werben nun mit "beheizter Raucher-Lounge im Freien". An der Bushaltestelle vor dem Apfelweinviertel hat ein Zeitungs- und Zigarettenladen seine Marktlücke entdeckt. Auf den beiden Tischchen neben der Kaffeemaschine stehen Aschenbecher. Es ist ein Rundumangebot: Lektüre, Tabak und Espresso.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?