Frankfurt gegen Hertha: Lesen im Mittelkreis
Berliner Zettelwirtschaft: Nach dem 0:1 gegen Frankfurt wartet Hertha BSC auf bitter nötige Verstärkungen. Auch der Zettel des Trainers mit neuen Anweisungen half nichts.
FRANKFURT AM MAIN taz Es war eine Szene mit Symbolcharakter, als der linke Außenverteidiger der Hertha, Malik Fathi, in der 74. Minute an der Außenlinie einen Zettel von seinem Trainer Lucien Favre in die Hand gedrückt bekam und dessen Bedeutung am Mittelkreis mit Pal Dardai diskutierte, während die eigene Mannschaft eine Ecke zugesprochen bekam. Es stand nichts weiter darauf, als dass die Hertha von diesem Zeitpunkt an mit einer Dreier- anstatt einer Viererkette in der Abwehr agieren sollte. Die Instruktionen des Trainers wurden fortan umgesetzt, aber es bleibt die Erkenntnis, dass das Spielverständnis von Lucien Favre noch nicht in Fleisch und Blut der Spieler übergegangen ist.
Andere Trainer benötigen einen Pfiff und ein paar für außenstehende Beobachter unergründliche Handzeichen, um wichtige Anweisungen an ihr Team weiterzugeben. "Die automatischen Abläufe sind noch nicht da. Ich hoffe, dass wir das bald hinkriegen", sagte Fathi nach dem Spiel, nahm aber seinen Trainer zugleich in Schutz: "Der Trainer hat viel Ahnung von seinem Fach. Es ist nur wichtig, dass er das auf die Mannschaft übertragen kann. Aber ich bin guter Dinge, dass er das noch hinkriegt."
Es ist noch viel "hinzukriegen" bei Hertha BSC Berlin, damit sich der Erfolg einstellt. Bei der 0:1-Niederlage bei der ersatzgeschwächten Eintracht aus Frankfurt gab es nur kurze Lichtblicke und wenige überzeugende Phasen im Spiel der Hertha. Manager Dieter Hoeneß meinte wohl diese kurzen Sequenzen in der zweiten Hälfte des Spiels, als er sagte, dass "die Arbeit Favres phasenweise erkennbar" gewesen sei. In der ersten Halbzeit hatte Hertha jedenfalls keine Torchance und ließ auch keine klare Linie erkennen, die auf die Handschrift des neuen Schweizer Trainers zurückzuführen wäre. Nach der Pause entwickelte die Favre-Elf etwas mehr Druck. Das lag zum einen daran, dass die gesamte Mannschaft weiter nach vorn rückte und dass ab der 57. Minute der Brasilianer Lucio Cajueiro Souza, kurz Lucio, auf der linken Seite für Wirbel sorgte. Es gab Tormöglichkeiten, die größte durch einen direkten Freistoß des kleinen Brasilianers, aber der Ausgleich oder gar eine Wende, zu der Hoeneß die Möglichkeit gesehen haben wollte, wäre nicht verdient gewesen. Eintracht Frankfurt war die bessere zweier schwacher Mannschaften und hätte gegen Ende des Spiels das Ergebnis in die Höhe schrauben müssen.
"Wir brauchen Geduld", sagte Hoeneß. Aber er sei "unglaublich zuversichtlich, dass wir den richtigen Weg gehen". Der Trainer, der vergangene Woche angeblich in Hoeneß Büro erschienen sein soll, um seinen Posten zur Verfügung zu stellen, steht nach einem klärenden Gespräch mit dem Manager nicht zur Disposition. Vielmehr soll der Kader noch verstärkt werden. Kapitän Arne Friedrich sprach diesbezüglich Klartext: "Wir haben heute das Möglichste gemacht mit dieser Mannschaft. Jeder hofft, dass da noch was kommt. Wir Spieler arbeiten an uns, alles andere liegt nicht in unserer Hand."
Die Zeit drängt, da Ende des Monats die Transferperiode abläuft. Dieter Hoeneß weiß um die Notwendigkeit und möchte das Team gerne noch auf drei bis vier Positionen verstärken, doch er will auch nichts überstürzen: "Wir werden keine Pseudolösung suchen. Vorher warten wir lieber bis zur Winterpause."
Die Diskussion um neue Spieler ist in Berlin schon seit längerem im Gang. Als Begründung für die vorsichtige und langwierige Planung nennt Hoeneß die späte Verpflichtung des Trainers und dessen neue Philosophie, die er aber voll unterstütze. Doch nun sei man "voll im Plan dessen, was möglich ist". Es bedurfte nur einiger Diskussionen darum, wie vorgegangen werden sollte. "Man kann eben nicht einfach auf den Knopf drücken wie bei einem Fußball-Manager-Spiel, und dann ist der Spieler da", sagte Hoeneß. Um das hinzukriegen, werden allerdings wohl keine Zettel, sondern Schecks überreicht werden müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!