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Archiv-Artikel

Frankfurt, bewölkt

Traurig: Mit „Leistungsverdichtung“ und neuer Beilage will die „Frankfurter Rundschau“ der Medienkrise begegnen – zum Unbehagen der Belegschaft

von ARNO FRANK undSTEFFEN GRIMBERG

Chefredaktion und Geschäftsführung der Frankfurter Rundschau waren gestern für die taz nicht zu sprechen. In aufeinander folgenden Besprechungen ging es um die Krise – und den geplanten spektakulären Ausweg für die schwer angeschlagene Traditionszeitung. Geschäftsführer Günter Kamissek hatte noch am Abend zuvor 130 zusätzliche Stellenstreichungen bis spätestens Ende kommenden Jahres ankündigen müssen. Damit wird das sozialliberale Druck- und Verlagshaus über rund 40 Prozent weniger Personal verfügen als noch 2002.

Inmitten der Krise setzt die FR jetzt alles auf eine Karte: Nach taz-Informationen soll mit reduzierter Mannschaft ab September eine Reform gestemmt werden, die die Struktur des Blattes grundlegend verändern wird – geplant ist eine tägliche achtseitige Beilage nach dem Vorbild des Supplements G2 der britischen Zeitung The Guardian. Arbeitstitel: FRplus.

Vorgesehen sind offenbar wie bei dem mittlerweile von verschiedenen britischen Blättern verfolgten Konzept monothematische tägliche Beilagen. Diskutiert wird derzeit eine Aufteilung in montags Sport, dienstags und donnerstags Kultur/Feuilleton, mittwochs Medien usw.

Das Ziel scheint klar: Einerseits hätte die ausgedünnte Belegschaft mehr Zeit, große Geschichten zu recherchieren und entsprechend ins Blatt zu bringen. Andererseits versprechen sich die FRplus-Strategen von ihrem ehrgeizigen Projekt entzückte Anzeigenkunden.

Unklar ist aber, wer diese üppigen Supplements bestücken soll. Die besten Schreiber des Hauses sind in einem Pool zusammengezogen worden, der vor allem die prominente Seite 3 bestreitet, während die Ressorts angesichts der Kürzungen schon jetzt über keine freien Kapazitäten mehr verfügen.

Denn um weitere Kündigungen zu verhindern, hatten Verlagsmitarbeiter wie RedakteurInnen im März einem neuen Haustarif zugestimmt, der ihre Arbeitszeit um drei Stunden wöchentlich reduziert – macht gut 8 Prozent Gehaltsverzicht. Durch diese Arbeitszeitverkürzung komme es schon jetzt in verschiedenen Bereichen zu erheblicher Unterbesetzung, heißt es in der Redaktion. Von „Leistungsverdichtung“ spricht auch Betriebsratschef Viktor Kalla: „Hier liegen wir im Konflikt mit der Geschäftsführung.“ Schließlich gelte die Regelung nur befristet und sollte zur Arbeitsplatzsicherung, nicht aber zur innerbetrieblichen Rationalisierung dienen. Wie jetzt aber das zusätzliche Streichkonzert aufgeführt werden soll, ist laut Kalla noch unklar: „Was jetzt gemacht wurde, ist die wirtschaftliche Planung für den worst case“. Insider schließen einen völligen Rückzug der FR aus der Überregionalität und die Rückkehr zur Regionalzeitung trotz des für September geplanten Relaunches nicht mehr aus.

Nachdem die jüngste Existenzkrise nur durch die ohnehin umstrittene Bürgschaft des Landes Hessen einstweilen aufgeschoben werden konnte, hatte sich die Redaktion in Frankfurt eine „Beruhigung“ erhofft. Der kommenden Reform aber sehen viele Mitarbeiter mit Bauchschmerzen entgegen. Nicht nur, weil die kursierenden Dummys intern als „extrem retro“ und „layouttechnische Katastrophe“ betrachtet werden, sondern auch wegen des nicht eben kommunikativen Führungsstils der Chefredaktion um Wolfgang Storz.

Als wären die neuen Probleme nicht groß genug, glühen offenbar auch die alten Probleme noch nach. Ex-Chefredakteur Hans-Helmut Kohl war nach Berlin beordert worden, um dort „den großen Justizskandal um Michel Friedman“ zu recherchieren – den es nicht gab. Zwischendurch wurde er immer mal wieder nach Frankfurt eingeflogen, um an Konferenzen teilzunehmen.

„Abserviert“, wie es in Frankfurt heißt, wurde Kohl seinerzeit von seinem Kollegen Jochen Siemens. Und der, inzwischen auch Ex-Chefredakteur wider Willen, soll sich angeblich darum bemühen, gerichtlich sein ausstehendes Gehalt aus einem offenbar auf fünf Jahre geschlossen Vertrag einzutreiben.