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Franke ergeht sich in Eigenlob

Chef der Bundesanstalt für Arbeit verteidigt ABM-Politik seiner Behörde/ Leichter Rückgang der Arbeitslosigkeit in Ost und West/ Auf dem Arbeitsmarkt bleiben Frauen Verliererinnen der Einheit  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Vehement wehrt sich Heinrich Franke, Chef der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, gegen die geplante Streichung der Bundeszuschüsse für seine Behörde. Aktive Arbeitsmarktpolitik habe nicht nur eine gesamtwirtschaftliche Bedeutung, sondern leiste einen erheblichen Beitrag „für die Erhaltung von sozialer und politischer Stabilität“. Angesichts sinkender Arbeitslosenzahlen in den neuen Bundesländern warnte Franke davor, dies als Wende am Arbeitsmarkt Ost zu interpretieren. Er befürchtet zum Quartalsende am 30. Juni eine große Zahl von Kündigungen.

Für den Rückgang der Arbeitslosigkeit in den alten und neuen Bundesländern machte Franke saisonale Faktoren verantwortlich. Die Zahl der Arbeitslosen in der alten Bundesrepublik ist im Mai gegenüber dem Vormonat um 42.700 auf 1,7 Millionen gesunken, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 5,6 Prozent. In den fünf neuen Bundesländern registrierten die Arbeitsämter im Mai 46.800 Arbeitslose und 29.700 Kurzarbeiter weniger als einen Monat zuvor.

In der alten DDR sind demnach 1.149.140 Menschen arbeitslos, die Arbeitslosenquote beträgt 14,1 Prozent. 436.533 Kurzarbeiter schlagen in der Statistik zu Buche. Gegenüber April ist die Frauenarbeitslosigkeit im Osten erneut gestiegen. Nahezu jede fünfte Frau ist dort bereits arbeitslos, 63,2 Prozent der Arbeitslosen sind Frauen.

Der BA-Chef nutzte die Monatspressekonferenz nicht nur für einen erneuten Appell an die Wirtschaft, endlich Arbeitsplätze einzurichten, sondern auch für eine scharfe Zurückweisung der in den letzten Wochen zunehmenden Kritik an den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Bundesanstalt. Insbesondere Bundesfinanzminister Theo Waigel fordert, die Bundeszuschüsse für die Bundesanstalt in Höhe von 4,9 Milliarden DM zu streichen. Zusammen mit den drei Milliarden DM aus dem Programm „Aufschwung Ost“ würden der BA dann insgesamt 7,9 Milliarden DM weniger zur Verfügung stehen.

„Ohne den Einsatz unserer Instrumente gäbe es im Osten derzeit nicht nur 1,15 Millionen, sondern wahrscheinlich gut drei Millionen Arbeitslose“, schrieb Franke den Anhängern massiver Streichungen ins Stammbuch. Arbeitsbeschaffungs- und Weiterbildungsmaßnahmen hätten nichts mit einem „Kaschieren von Unterbeschäftigung“ zu tun. Dies sei „gelinde gesagt eine verfehlte Sicht der Dinge“. Franke empfahl den BA-Kritikern, sich „zuerst einmal mit der Sache zu beschäftigen, bevor sie öffentliche Erklärungen abgeben“.

Als Hauptargument für die bisherigen BA-Maßnahmen führt Franke an, daß fast die Hälfte aller Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen „im engeren Sinne investiv“ seien. Sie kämen der „wirtschaftsnahen Infrastruktur oder der Umwelt zugute“. Im Gegensatz zum Westen seien AB-Maßnahmen im Osten „ganz bewußt wesentlich stärker unmittelbar produktiv ausgerichtet“. Unter dem Strich verbessern die ABM die „Angebotsbedingungen der Wirtschaft ebenso wie eine bedarfsgerechte Qualifizierung der Arbeitskräfte“. Die bereits jetzt geführte Diskussion über den zukünftigen Haushalt der Bundesanstalt hält Heinrich Franke für verfrüht. Man sollte abwarten, wie sich im Herbst der Arbeitsmarkt darstelle. Mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen zu den beiden nächsten Quartalsterminen sei auf jeden Fall zu rechnen.

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