piwik no script img

FraktionsdisziplinDafür sein, dagegen stimmen

Die Grünen sind sich mit CDU und FDP einig: Sie unterstützen die Freie Schule. Den Antrag der Opposition wollen sie trotzdem ablehnen - aus Angst vor Koalitionskrach.

Wie privat darf Schule sein in Bremen? SPD und Grüne beantworten die Frage unterschiedlich. Bild: DPA

Die Grünen werden einen Antrag von CDU und FDP ablehnen, der den Senat auffordert, zwei Grundschulen in freier Trägerschaft zuzulassen. Das beschloss die Grünen-Fraktion am Dienstag. Weil sie "in der Sache" aber der Opposition Recht geben, will die grüne Bildungspolitikerin Anja Stahmann vor der Abstimmung am Donnerstag im Bürgerschaftsplenum eine Rede halten, in der sie sich für die beiden Schulen ausspricht.

"Es gibt einen Konflikt mit dem Koalitionspartner", sagt Stahmann. Der rot-grüne Koalitionsvertrag zwinge jedoch zur Einigung. Die SPD lehnt die privaten Grundschulen ab, ebenso wie die Linkspartei ab. Sie fürchtet eine "soziale Entmischung", wenn sich private Grundschulen einbürgern. Ein gemeinsames Votum von Grünen und Opposition gegen Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) hätte die SPD als "totalen Affront empfunden", sagt Stahmann.

Zwei private Schulinitiativen hatten vor Gericht auf ihre Zulassung geklagt. Im Februar hatte das Verwaltungsgericht entschieden, dass sowohl der Initiative zur Gründung der "Freien Schule Bremen" als auch der "Humanistischen Schule" die Genehmigung mit nicht nachvollziehbaren Gründen versagt wurde. Das Bildungsressort hatte angekündigt, das Urteil vom Oberverwaltungsgericht (OVG) überprüfen lassen zu wollen.

Die Grünen glauben, dass ihr Kurs faktisch keinen Unterschied mache: "Ich gehen davon aus, dass die Gerichte den Schulinitiativen ohnehin Recht geben werden." Die beiden Urteile, gegen die Jürgens-Pieper Rechtsmittel einlegen will, seien "klar und einleuchtend". Juristen, die Stahmann konsultiert hat, hätten ihr gesagt, der Streit sei eine "klare Sache: Das Ressort verliert." Wäre dies nicht so, hätten die Grünen den Konflikt nicht gescheut und die Sache zurück in die Bildungsdeputation verwiesen, sagt Stahmann.

Beim Koalitionspartner SPD will man den Konflikt weniger heißblütig verstanden wissen: "Ich denke nicht, dass wir daraus einen Koalitionsstreit gemacht hätten", sagt der sozialdemokratische Bildungspolitiker Mustafa Güngör. Man hätte sich mit den Grünen "an einen Tisch gesetzt und uns darüber ausgetauscht".

In der Sache sei die Haltung der SPD aber eindeutig: "Das Grundgesetz erschwert private Grundschulen zurecht. Solche Schulen sind Klientelpolitik, sie unterlaufen die Idee einer gemeinsamen Schule", so Güngör.

Sven Golchert von der Freien Schule ist derweil unglücklich darüber, zum "Wahlkampferöffnungsthema zu werden". Dass die CDU auf Schwarz-Grün spekuliere und die FDP das Bildungswesen grundsätzlich öffnen wolle, habe "wenig mit unserem Interesse zu tun". Er sei zwar "zuversichtlich", was das Verfahren vor dem OVG angehe. "Aber das kostet uns ein weiteres Jahr und wir wollen nicht länger warten." Der Plan, im August den Schulbetrieb aufzunehmen sei jetzt "fast unleistbar" geworden. "Dafür bräuchten wir Unterstützung, die uns bislang nicht gewährt worden ist", sagt Golchert.

Indes läuft heute die Frist für den Antrag auf Zulassung der Rechtsmittel im Privatschulstreit ab. Wenn das Ressort - wie erwartet wird - den Antrag rechtzeitig einreicht, würde es vor der morgigen Debatte Fakten schaffen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • IN
    Irene Nickel

    Die "Idee einer gemeinsamen Schule" ist eigentlich eine gute Idee. Gerade in der heutigen Zeit wäre es wichtig, dass Kinder aus unterschiedlichen Elternhäusern den Umgang miteinander einüben. Eine Entmischung nach der Religion oder Weltanschauung der Eltern ist ebenso fehl am Platze wie eine Entmischung nach den Besitzverhältnissen der Eltern. Von religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisschulen halte ich ebenso wenig wie von Reichenschulen und Armenschulen.

     

    Man kann der Meinung sein, dass religiöse und weltanschauliche Bekenntnisschulen eigentlich verboten gehören. Man kann eine entsprechende Änderung der Gesetzeslage anstreben, einschließlich einer Änderung des Grundgesetzes.

     

    Aber so, wie Bildungssenatorin Jürgens-Pieper an die Sache herangeht, das ist inakzeptabel. Auf der einen Seite einer evangelischen Bekenntnisschule ein Qualitätssiegel zu verleihen und auf der anderen Seite die Gründung einer humanistischen Weltanschauungsschule zu behindern, das ist eine eklatante Verletzung des Grundsatzes: "Gleiches Recht für alle!"

     

    Zugleich ist es ein Verstoß gegen geltendes Recht, wie spätestens seit dem Urteil des Verwaltungsgerichts jedem klar sein sollte. Trotzdem weigert sich Frau Jürgens-Pieper weiterhin, die Genehmigung zu erteilen. Wer so wenig Bereitschaft zeigt, sich an geltendes Recht zu halten, ist ungeeignet für ein politisches Amt.

     

    Befremdlich ist auch das Verhalten der Grünen. Für einen Gesetzesverstoß zu stimmen in der Erwartung, die Gerichte würden es schon richten, das ist eine Bankrotterklärung der Politik. Wäre ich eine Bürgerin von Bremen, dann würde ich mich fragen: Wen in aller Welt kann ich denn da noch wählen?!