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Fragwürdiger Rauswurf bei "Nordsee-Zeitung"Gottes Stellverlegerin

In Bremerhaven darf ein Autor nicht mehr für ein "Nordsee-Zeitung"-Tochterblatt schreiben. Er ist der Verlegerin mit Berichten in die Quere gekommen.

Schweigt sich über internen Skandal aus: Nordsee-Zeitung Bild: Screenshot www.nordsee-zeitung.de

Es ist eine Binse, dass Verlegern nichts unangenehmer ist, als über sich selbst oder über Vorgänge im eigenen Laden reden zu müssen. Das Geschäftsmodell einer Zeitung ist Geschwätzigkeit über andere. Aber wenn es um interne Vorgänge geht, werden Verleger einsilbig.

Im Norden der Republik schweigt sich gerade die Nordsee-Zeitung (NZ) über einen internen Skandal aus. Der profilierte Autor Detlef Kolze darf seit fast einem Monat keine Texte mehr im Sonntagsjournal, einer NZ-Tochter, veröffentlichen. Es geht um die Frage, ob er der Verlegerin des Anzeigenblatts, Roswitha Ditzen-Blanke, mit forschem Journalismus in die Quere kam. Die ist Vizepräsidentin der örtlichen Industrie- und Handelskammer (IHK). Vieles spricht dafür, dass der kritische Journalist auf Betreiben der Verlegerin an die Luft gesetzt wurde. Der Verlag mauert, Informationen sind schwer zu bekommen.

Es ist ein Puzzle, dessen Teile man sich in einer Stadt zusammensuchen muss, die sich gerne als die "freieste Gemeinde Deutschlands" bezeichnet. Das Armenhaus der alten Bundesländer pflegt den Dünkel. Und so sind Mitgliedschaften im Lions-Club und bei den Rotariern wichtig, wenn man dazugehören will. Und als Verlegerin und IHK-Vizepräsidentin hat es Roswitha Ditzen-Blanke, die ihre Karriere als Sekretärin des Verlags begann, weit gebracht in der Bussi-Bussi-Gesellschaft, in der ihr Mann, Verleger Joachim Ditzen-Blanke, zu den ganz Großen gehört. Draußen kämpft das Prekariat ums Überleben, im Sonntagsjournal werden Gourmettempel der Region gewürdigt und Golfsonderseiten gedruckt.

"Bremerhaven reagiert auf Kritik wie ein überdrehtes Immunsystem", hat ein Journalist von Radio Bremen einmal gesagt. Als der Spiegel Anfang des Jahres ein großes analytisches Stück über das "Sozialghetto" brachte, war die Immunabwehr wieder auf Hochtouren. In der Politik und der Nordsee-Zeitung wurde das Magazin wüst bis peinlich beschimpft. Sogar eine Bürgerinitiative gegen den Spiegel wurde gegründet. Tagelang ging das so, bis Detlef Kolze die Geschichte im Sonntagsjournal wieder gerade rückte. Mit Blick auf die ätzende Spiegel-Kritik aus der Stadt schrieb er: "Solche Tricksereien legen den Verdacht nahe, dass Lobhudeleien liebend gerne entgegengenommen werden, während man vor Hinweisen auf Gefahrenpunkte die Augen verschließen möchte."

Zu dem Zeitpunkt hatte Kolze, der seit fast 14 Jahren für das Sonntagsjournal schrieb, die Gefahr, in der er steckte, womöglich unterschätzt. Monate zuvor lieferte er sich bereits ein Scharmützel mit der IHK, die den freien Autor aus dem Presseverteiler strich. In der Begründung machte Geschäftsführer Michael Stark keinen Hehl daraus, dass der IHK Kolzes Schreibe nicht passte: Auf Journalisten, "die, nach welchen Kriterien auch immer, entscheiden, ob und welche Informationen aufbereitet bzw. weitergegeben werden oder eben nicht - auf deren selektive/seltene Einzelbeiträge möchten wir lieber ganz verzichten". Berichtet wurde darüber lediglich im Magazin der Gewerkschaft Ver.di.

Die IHK ist mächtig in Bremerhaven, die Nordsee-Zeitung ist es auch. Wer eins und eins zusammenzählt, kommt zu dem Schluss, dass die IHK-Vizepräsidentin Ditzen-Blanke den unbequemen Autor Kolze loswerden wollte. Mittlerweile hat der eine öffentliche Erklärung zu seinem Rauswurf abgegeben: "Wie mir berichtet wurde, geschieht dies auf persönliche Anweisung der Verlegerin Roswitha Ditzen-Blanke." Gesagt hätten ihm das Mitarbeiter des Blattes. Eine Begründung habe er weder von der Redaktion noch von der Verlegerin bekommen. Auch sei die Zusammenarbeit bisher noch nicht offiziell aufgekündigt worden.

Kolze kann nur vermuten, was genau der Anlass für sein Schreibverbot gewesen sein könnte. Während einer Pressekonferenz sei es auch darum gegangen, wie wichtig eine positive Berichterstattung über "Bremerhavener Entwicklungen" sei. Da habe dann IHK-Präsident und Sparkassenvorstand Claus Brüggemann zu seiner Präsidiumskollegin und Verlagschefin gesagt: "Na, das haben Sie in Ihrem Hause ja in der Hand."

So schlicht ist die Geschichte. Anfragen an die Nordsee-Zeitung werden auch nach wiederholtem Nachfragen nicht beantwortet. Die Verlegerin sei auf einer Urlaubsreise, heißt es. Auch der Geschäftsführer und der Chefredakteur des Sonntagsjournals wollen nicht antworten. Aber die IHK. Geschäftsführer Stark weist den Verdacht einer IHK-Strippenzieherei von sich: "Ich wasche meine Hände in Unschuld."

Autor Kolze stehen harte Zeiten ins Haus. Er spricht von einem herben finanziellen Verlust und konstatiert, "dass Journalismus offensichtlich immer stärker in die Richtung einer fröhlichen PR-Veranstaltung gedrängt werden soll und dass eine abwägende kritische Hintergrundberichterstattung über kommunale Entwicklungen zunehmend als störend und unerwünscht betrachtet wird".

Dafür gibt es sogar akademischen Beistand. Der Leipziger Journalistikprofessor Michael Haller warnt schon lange davor, dass gerade in kleinere Zeitungen PR-Journalismus mehr und mehr einsickere.

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10 Kommentare

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  • RT
    Roland Tluk

    Ich stimme definitiv meinen Vorredner Thorsten Bartel recht. Als Exil-Bremerhavener, der in dieser Stadt groß geworden ist, kann jedes Wort unterschreiben.

     

    Die einzige Wirtschaft, die da funktionierte hat nur was mit "Vettern" zu tun.

     

    Mehr kann ich nicht mehr dazu sagen. Diese Stadt ist Zeitverschwendung.

  • ST
    Stefan Timm

    ... solche Vorgänge nennt man auch "Kungelei".

    Ob bei der Vergabe von "jobs", Aufträgen, Bonuszahlungen und und ...

    Wünsche mir trotz "high society", "Kungelei" und Co. ein harmonisches Miteinander für uns Menschen.

     

    Grüße aus Cuxhaven

  • TS
    Torsten Stegmann

    Der Umgang der Medien ist der letzten Zeit sehr merkwürdig,aufgrund irgendwelcher Intressengemeinschaften werden Wahrheiten zur Lüge und umgegekehrt.also Lügen zu Wahrheiten.Wer mit mir dieser Meinung ist,kann sich gerne melden aber auch für die Gegenseite bin ich vollkommen offen

     

    Mit freundlichem Gruss

     

    Torsten Stegmann

  • NM
    Nina Mustermann

    Meine Freundin war als freie Journalistin bei der NZ tätig. Sie berichtete über Musikveranstaltungen und Interviewte lokale Musikbands. Die Artikel die sie geschrieben und die tatsächlich gedruckt wurden waren zwei Welten. Es wurden Sätze so verändert, das eine andere Ausage dabei herauskam. Da die Artikel unter ihrem Name gedruckt wurden, hatte sie viel ärger mit den Musikbands. Sie hatte sich dann natürlich bei der NZ beschwert und bekam keine Aufträge mehr. Bremerhavens "High Society" sorgt aber dafür, dass sowas nicht an die Öffentlichkeit gerät!!!

  • -

    zuerst eine Einschränkung, die aber auch bezeichnend sein dürfte: meinen Beitrag dürfen Sie nur anonym veröffentlichen, da ich in Bremerhaven lebe und selbstständig arbeite!

    Die von Ihnen bezeichneten Umstände umfassen viel mehr. Die Verwaltung und die Justiz sind ebenfalls betroffen, aber auch andere, wie z.B. die IHK, wie es auch aus Ihrem Bericht sehr deutlich hervor geht. Rechtsbeugung, auch Verletzung der Menschenrechte sind keine Seltenheit. Sich an vermeintliche demokratische Hilfe (Petionsausschuss der Bürgerschaft Bremen) zu wenden, ist sinnlos. Die Nordsee Zeitung fügt sich dieses Weltbild leider harmonisch ein. Dies einen pseudo-elitären Klüngel zu nennnen, verharmlost das Problem. Die selbsternannte Oberklasse, die durch Klüngel dafür sorgt, dass nur gleichgesinnte an die Schaltstellen kommen, erinnert leider sehr an die Herrenrasse, auch wenn hier subtiler vorgegangen wird. Dies haben wir schon ein Mal gehabt und brauchen es nicht ein zweites Mal. Es wird Zeit, dass die, die die sich nicht einreihen, von außen unterstützt werden, damit den Vorgängen wie bei der Nordsee-Zeitung (und leider nicht nur bei der Nordsee-Zeitung) ein Ende gesetzt wird.

  • EB
    Ein Bremerhavener

    Ich bin in Bremerhaven aufgewachsen und wohne hier mit meiner Familie. Als selbstständiger Unternehmer muss ich Bremerhaven ein wirkliches Armutszeugnis konstatieren. Das kann man auch als neapolitanische Verhältnisse ohne Müllproblem bezeichnen. Was in dieser Stadt seit Jahren passiert ist einzigartig. Hier bricht so langsam die primäre Infrastruktur komplett weg, das beginnt schon bei den Schulen. Was hier an normaler Welt präsentiert wird, ist nur Fassade. Unser Fazit: Wir werden Bremerhaven verlassen, da die Zustände sich noch weiter verschlechtern werden. Wenn ich dann die Image-Kampagne "Wir lieben Bremerhaven" sehen, muss ich sagen, jede Liebe hat auch ihre Grenzen.

  • TB
    Thorsten Bartel

    Ich bin in Bremerhaven geboren und aufgewachsen. Ihr Lob gegenüber der Bremerhavener kann ich leider nicht teilen. ICh habe sie als ebenso stur und z . T. dumm erlebt, wie ihre Regionalregierung. MAn begreift nicht oder will nicht begreifen, daß es keinen Zweck hat, immer nur die Augen zu verschließen und sich in vergangenen - vermeintlich besseren Zeiten - zu "suhlen". DAs schafft weder Arbeitsplätze, noch bringt es Geld in die Stadt. MAn hat es seit den 1960iger Jahren verschlafen, neue Arbeitsplätze zu schaffen, in dem man Investoren angezogen hätte, als Ersatz für die wegbrechende Werft- und Fischindustrie. Auf KRitik und mahnende Worte reagierte man schon damals sehr empfindlich, ich möchte nicht sagen hysterisch. Die Folgen können wir sehen: die Innenstadt ist quasi verödet, es gibt keinen attraktiven Nahverkehr mehr, da man seit den 1950iger Jahren nur noch auf den Straßenbau fixiert ist und alle negativen Konsequenzen daraus geflissentlich ausblendet. Auch ich habe einen kritischen Leserbrief an die Nordsee - Zeitung geschrieben, der zwar veröffentlicht aber an den entscheidenen Stelle gekürzt wurde. z.b. wies ich darauf hin, daß es in Lehe schon an manchen Ecken aussieht wie in schwedt an der ODer (halbe Straßenzüge stehen leer, vernagelte Häuser).

     

    Doch anstatt dafür zu sorgen, daß endlich zukunftsfähige Investitionen in Bremerhaven getätigt werden, baut man sich in der Stadt ein Disneyland und einen Straßentunnel, der der Stadt nicht einen Cent Einnahmen bringt, statt mit demgleichen Geld einen attrativen Nahverkehr aufzubauen. Wie sollen denn bitte schön die Touristen in die Havenwelten kommen? ALle mit dem Auto oder was?

     

    Wer Toruisten anziehen will, der sollte sich mal umsehen, was anderenorts so geboten wird. Ich nehme da als Beispiel immer gerne die Ostseestadt Rostock - Warnemünde. Sie bietet alles, was Bremerhaven nicht hat: einen herrlichen Badestrand - wo man auch baden kann - maritimes Flair durch den Fährverkehr nach Skandinavien, alte Fischerhäuser und eine süße Bummelpromenade mit urigen Geschäften. Ach ja und man kann bis fast zum Strand mit dem Zug kommen.

     

    Ich wünsche der Nordsee - Zeitung für die Zukunft schlagkräftige Konkurrenz. Ich würde es sehr begrüßen, wenn es in Zukunft in Bremerhaven eine weitere Tageszeitung geben wuerde, eine, in der Tacheles geredet wird und nicht diese unsägliche Lobhudellei.

  • G
    Grulle

    Ich freue mich für Bremerhaven. Verlagshaus Ditzen hat ab dieser Woche endlich Konkurrenz bekommen. Ich habe meinen Briefkasten gestern geöffnet und konnte meinen Augen nicht trauen. Bremerhaven hat eine neu Wochenzeitung, die nicht von Ditzen und Co. kommt.

  • KM
    Kurt Mayer

    schaue gerade den inhaltlich entsprechenden Beitrag in zapp. echt mies die Geschichte! Gruß Kurt

  • TL
    Tobias Linden

    Und das ist Bremerhaven. Herr Kolze ist nicht der einzige freie Journalist, der von der Auftragsliste der NZ und des Sonntagsjournals gestrichen wurde, weil er es wagte, nonkonform (und damit im Sinne der journalistischen Sorgfaltspflicht) zu berichten. Es gibt eben gewisse Themen, die darf man nicht kritisch angehen, wenn man in der Stadt eine Zukunft - oder wenigstens Gegenwart - haben will. Da gehört die IHK genauso dazu wie die Showveranstaltung Eishockey (2. "Bundesliga"). Der Etat der Pinguins wird schätzungsweise zu über 70% von der Stadt getragen. Jetzt kommt noch eine neue Eishalle für - vorerst - 20 Millionen dazu. Klar, dass dann Geld (nicht nur) für den Breitensport fehlt.

    Ich lebe sehr gern in Bremerhaven. Die Menschen sind offen und ehrlich, sie haben etwas besseres verdient als den Bremerhavener Klüngel.