piwik no script img

■ Fragestunde mit einem Flachlandgorillaweibchen im Internet„Koko liebt Essen!“

Woodside, CA (taz) – Die Stimmung in den Chatrooms war ein wenig nervös, wie in einem Konzertsaal, in dem alle auf den Auftritt des großen Stars warten. Wann kommt er endlich? Zu Tausenden sind sie angereist, sie kamen aus Chile, Japan, Paris und Berlin – und sie kamen, um die erste Inter-Spezies-Konferenz live im Internet mitzuerleben. Natürlich kamen sie nicht in echt. Sie hockten daheim vor ihren Kisten, hatten das Modem angeworfen und ein Sixpack bereitgestellt. Auf Neudeutsch heißt das „virtuell“, aber nervös waren sie trotzdem. „I'll ask him about that Clinton- thing“, meinte Joe aus Texas, doch dann war es soweit, und plötzlich schien es, als würde der Chatroom langsam dunkel werden.

„Wir freuen uns, Ihnen einen ungewöhnlichen Gast in unserer langen Prominentenliste bei AOL Live! präsentieren zu dürfen – Koko, den Gorilla!“ Dann folgte ein riesiges Tamtam, mit bombastischer Musik und einer Diashow. Wer kein AOL-Kunde ist, konnte sich über die Umweltseite „Envirolink“ und den Lycos-Chat einklicken. Durch den kleinen Umweg blieb einem das Brimborium erspart. Koko, das Flachlandgorillaweibchen, interessierte das alles überhaupt nicht und steckte lieber dem Gummikrokodil einen Kamm in den Mund. Dabei hat man sie seit langem auf diesen Tag vorbereitet, schließlich will die Gorilla Foundation mit dieser ungewöhnlichen PR-Aktion noch ein paar Dollar auftreiben. Die braucht sie auch, denn das neue Gorilla-Reservat auf der Hawaii-Insel Maui kostet sieben Millionen, und davon ist erst die Hälfte beisammen.

Doch wie chattet ein Gorilla? Noch nicht mal alle Menschen können das, und da kann man keinem Affen zumuten, eine Online- Diskussion am Bildschirm zu verfolgen und eigene Beiträge einzugeben – mit einer Tastatur und einer Computermaus lassen sich doch sehr viel lustigere Dinge anstellen. Und was da auf dem Bildschirm passiert, ist bei weitem nicht so spannend wie „Free Willy“, Kokos Lieblingsfilm.

Aber Koko ist kein Analphabet. Dr. Francine „Penny“ Patterson hat Koko die Zeichensprache beigebracht. Seit 25 Jahren macht sie das schon, und heute versteht Koko tausend Zeichen sowie einige englische Lautwörter und kann damit vielseitig kommunizieren. So ist selbst ein Chat ist kein Problem: Dr. Patterson übersetzt die Fragen in die Zeichensprache, und Kokos Antworten tippt jemand anders ein.

Schweigen an den Tasten. Was fragt man einen Gorilla? Das hatte sich wohl niemand so richtig überlegt. Und Koko versteckte ihren Kopf hinter riesigen Händen. Talika faßte als erster Mut: „Hallo Koko, es ist eine Ehre, dich zu treffen.“ Kokos Antwort war erstaunlich: „Gut hier.“ Und als der Moderator die ersten Fragen einsammelte, huschte ein entschiedenes „Koko liebt Essen!“ über die Bildschirme. Das war wenigstens ein Thema, mit dem alle etwas anfangen konnten, und auf Früchte und Apfelsaft hatte Koko gerade Appetit. Ob sie Vögel mag, wollte einer wissen. Koko ging zum Fenster, schaute hinaus, und meinte plötzlich: „Fake.“ Das kommt immer dann, wenn von Dingen die Rede ist, die nicht hier und jetzt präsent sind, erklärte Dr. Patterson. Koko beantwortete noch viele Fragen. Was sie sich zum Geburtstag wünscht („Essen und ein Kätzchen“), und ob sie eine eigene Gorillafamilie haben möchte („Ja, aber mit vielen Frauen“). Nach einer dreiviertel Stunde hatte Koko genug vom Internet. Dieter Grönling

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen