piwik no script img

Fragebögen selbst „komplettiert“

■ Bei der schon anlaufenden Gebäudeerhebung gaben Wuppertaler Beamte Daten für Volkszählung an Kollegen weiter / Rechtliche Konsequenzen gegen den eindeutigen Gesetzesverstoß sind unwahrscheinlich

Aus Wuppertal Hendrik Zörner

„Da ist eine Panne passiert, die wir auch unumwunden zugeben“, gestand Walter Niebergall, Pressesprecher der Stadtverwaltung Wuppertal, ein. Ihm blieb auch nichts anderes übrig, denn was in Wuppertal vorgefallen ist, sieht das Volkszählungsgesetz in der Tat nicht vor. Um sich die Arbeit zu erleichtern, haben dort die Mitarbeiter der städtischen Erhebungsstelle Fragebögen aus der Gebäudezählung, die im Rahmen der Volkszählung schon Ende letzten Jahres angelaufen ist, durch Rückfragen bei anderen Behörden kurzerhand „komplettiert“. Von einem Beamten hatte der grüne Stadtverordnete Thomas Lenz einen vertraulichen Hin weis auf diese „Datenpanne“ bekommen und ist damit jetzt an die Öffentlichkeit gegangen. Im Zuge der Volkszählung müssen auch die Gebäude gezählt werden. In der Schwebebahnstadt Wuppertal wurden dafür knapp 50.000 sogenannte Gebäudebögen an die Hauseigentümer verteilt. In Frage 4 des Gebäudebogens wird gefragt, ob Wohnungen mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus gefördert sind. In genau 20 Bögen fehlte die Antwort darauf, bei einigen stand in dem entsprechenden Feld ein Fragezeichen. Die Mitarbeiter der städtischen Erhebungsstelle hatten somit 20 Bögen vor sich, deren Daten sie nicht eingeben konnten. Bei den betroffenen Hausbesitzern sei es nicht möglich gewesen, per telefonischem Rückruf die fehlenden Angaben einzuholen, erklärte Pressesprecher Niebergall. Bei korrektem Handeln hätten die Verwaltungskräfte den Hausbesitzern erneut einen Fragebogen zustellen müssen, verbunden mit der Aufforderung, diesmal vollständige Angaben zu machen. Doch den damit verbundenen Verwaltungsaufwand wollten sich die Wuppertaler Bürokraten offensichtlich sparen. Kurzerhand riefen sie daher bei den Mitarbeitern des Amtes für Bauförderung und Wohnungswesen an. Dort, im Amt 64, sind alle Unterlagen über öffentliche Wohnungsbaugelder gesammelt. Die kollegialen Wohnungsbaubeamten übermittelten der Erhebungsstelle die gewünschten Informationen. Dort wurden die Gebäudebögen schließlich vervollständigt. Die Kungelei unter Kollegen mag in anderen Fällen völlig legal sein, nicht jedoch bei der Volkszählung. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, daß sich die Erhebungsstelle nur der Daten der Meldebehörde bedienen darf. Kontakte zu anderen Ämtern, wie in Wuppertal geschehen, sind nicht vorgesehen und daher verboten. Rechtliche Konsequenzen aus diesem Verstoß gegen das Volkszählungsgesetz sind unwahrscheinlich. Gegen das Verhalten der Beamten könnten nur die Besitzer der 20 Gebäude klagen. Und die werden von seiten der Verwaltung auch nichts davon erfahren - angeblich, weil es jetzt nicht mehr möglich ist, die 20 eigenhändig ausgefüllten Gebäudebögen wieder herauszufischen. Doch für politischen Wirbel wird der Vorfall allemal sorgen. Stadtverordneter Lenz kündigte im Namen der Fraktion der Grünen bereits an, daß die Angelegenheit im Stadtrat zur Sprache kommen wird. Lenz: „Für uns ist das der Nachweis dafür, daß die vielbeschworene Anonymität der Daten nur auf dem Papier existiert. Die Re–Identifizierung ist ja sogar in einer Großstadt wie Wuppertal möglich.“ Möglicherweise wird sich auch noch der Datenschutzbeauftragte von Nordrhein–Westfalen mit der Wuppertaler Datenpanne zu beschäftigen haben. Den Volkszählungsgegnern und -boykotteuren bietet der Vorfall das erste Negativbeispiel aus der Praxis.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen