Forschung über Einzeller im Meer: Magisches Meeresleuchten geklärt
Bislang wusste man, dass winzige Einzeller etwas mit dem Meeresleuchten im Pazifik zu tun haben. Wie sie das spektakuläre Schauspiel erzeugen, wurde nun erforscht.
BERLIN taz | Kaliforniens Küste ist berühmt für Sonne und Strand. Und für Surfer, die sich in gleißender Hitze mit ihren Surfbrettern in die tobende Brandung werfen, um wahre Kunststückchen auf den Wellen des Pazifiks zu vollbringen. Die Wagemutigen unter ihnen fürchten auch die Nacht nicht, reiten bei Mondschein mit den Wellen und werden manchmal belohnt mit einem spektakulären Naturschauspiel. Während sie durch das Wasser fahren, erleuchtet es um sie herum in einem magischen Blau.
Welche molekularen Schritte zum Meeresleuchten führen, war bisher noch nicht vollständig bekannt. Eine Gruppe Wissenschaftler unter der Leitung von Thomas E. DeCoursey, Rush University Medical Center in Chicago, und Susan M. E. Smith, Emory School of Medicine in Atlanta, hat jetzt einen entscheidenen Schritt machen können, um das Phänomen noch besser verstehen zu können.
Verursacht wird das Meeresleuchten von Dinoflagellaten. Dabei handelt es um eine Gruppe von Einzellern, die sehr formenreich ist und einen Hauptteil des Phytoplanktons in den Weltmeeren ausmacht. Stoßen diese im Wasser lebenden Dinoflagellaten auf einen Widerstand, senden sie Lichtblitze aus, die in ihrer Gesamtheit das Meeresleuchten ergeben.
Protonenkanäle spielen wichtige Rolle
Detailierte Erkenntnisse darüber sammelte schon 1972 John Woodland Hastings. Er ist einer der führenden Forscher zum Thema Biolumineszenz. Er stellte die Hypothese auf, dass spannungsabhängige Protonenkanäle eine Schlüsselrolle beim Meeresleuchten spielen könnten. Auch in anderen Organismen wurden solche Protonenkanäle beschrieben, die nach dem gleichen Prinzip arbeiten, aber zum Teil andere Funktionen haben.
Doch das dafür verantwortliche Gen konnte trotz jahrzehntelanger Suche bei den Dinoflagellaten nicht gefunden werden. Erst das Forscherteam von DeCoursey und seiner Kollegin Smith schafften es jetzt, die genetische Infomation für einen Protonenkanal aus einem nichtleuchtenden Dinoflagellaten (Karlodinium veneficum) zu isolieren und zu beschreiben.
Den Mechanismus, der Dinoflagellaten zum Leuchten bringt, könne man sich folgendermaßen vorstellen, erklärt Boris Musset, der im Team von DeCoursey und Smith mitforscht: "Wenn das Surfboard auf einen Dinoflagellaten trifft und dadurch einen mechanischen Reiz auslöst, ensteht ein elektrisches Signal. Dieses Aktionspotenzial pflanzt sich über die gesamte Vakuolenmembran fort, die im Inneren eine besonders hohe Protonenkonzentration hat".
Giftige "Red Tides"
Dadurch würden in der Membran sitzende Protonenkanäle geöffnet. Die durchfließenden Protonen können das Enzym Luziferase aktivieren, das dann Lichtblitze aussendet. Doch erst wenn Millionen von Dinoflagellaten dieses Phänomen erzeugen, so Musset, könnten wir Menschen das blaue Leuchten beim Surfen, Schwimmen oder wenn Wellen brechen, sehen.
Dinoflagellaten können, bedingt durch Umweltfaktoren, in großen Massen auftreten. Dieser Algenblütenteppich wird auch "Red Tide" genannt. Das Meer ist dann von Millionen von Algen und Dinoflagellaten rot gefärbt. Solche Red-Tides können auch extrem giftig sein und zum erhöhten Fischsterben führen. Einige Dinoflagellaten produzieren beispielsweise das hochgiftige Saxitoxin.
Treten Red-Tides auf, wird besonders vor dem Verzehr von Muscheln gewarnt, da sich die Toxine in ihnen besonders gut anreichern können. "Mit der Entdeckung des Dinoflagellaten-Protonenkanals könnte eine gezielte Bekämpfung solcher Red-Tides möglich werden", hofft deshalb auch Boris Musset.
Protonenkanäle sind auch schon beim Menschen, bei Mäusen, Ratten, Schnecken und Seescheiden nachgewiesen worden. Beim Menschen kommt der Protonenkanal verstärkt im Immunsystem vor und hat dort eine wichtige Aufgabe bei der Bekämpfung bakterieller Infektionen. Funktionen hat er auch in der Lunge, in den Muskeln sowie bei der Fortpflanzung.
Noch steht die Protonenkanalforschung am Anfang, denn viele Zelltypen und auch die meisten Arten sind noch nicht auf Protonenkanäle untersucht worden. "Das ist auch gar nicht so einfach", sagt Musset. "Denn die Protonenkanäle können wir nicht sehen. Höchstens elektrisch messen."
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