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Forscher über die Bundeswehr"Militarismus tritt anders auf"

Das öffentliche Rekrutengelöbnis vor dem Reichstag ist zum Normalfall geworden. Der Friedensforscher Peter Strutynski erklärt, warum das so ist.

Rekruten der Bundeswehr vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. Bild: dpa
Martin Kaul
Interview von Martin Kaul

taz.de: Herr Strutynski, vor einigen Jahren hat das öffentliche Bundeswehrgelöbnis vor dem Reichstag noch für Diskussionen gesorgt. Heute ist es zum Normalfall geworden. Wo ist die Friedensbewegung?

Peter Strutynski: Die ist natürlich wie jede andere Bewegung auch "konjunkturabhängig". Sie wird stark, wenn es um brennende, die Menschen interessierende Themen geht.

Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen den Afghanistankrieg. Sie sagen, das interessiert die Menschen nicht?

PETER STRUTYNSKI

Der 65-Jährige ist Politikwissenschaftler und Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag sowie der Arbeitsgruppe Friedensforschung an der Universität Kassel.

Natürlich interessiert dieser Krieg die Menschen, aber er betrifft sie nicht direkt. Das war beim Kampf gegen die Atomraketen in den 1980er Jahren oder dem Irakkrieg unter Bush ganz anders. Da gingen weltweit 18 Millionen und in Berlin 500.000 Menschen auf die Straßen. Weil jeder wusste, dass der Krieg auf Lügen und Intrigen basierte.

Die Kanzlerin steht an den Särgen getöteter Soldaten, trotzdem mangelt es an Mobilisierung. Taugt ein Begriff wie "Antimilitarismus" dazu noch?

Der Begriff beinhaltet ja kein Bekenntnis zu radikalen oder weniger radikalen Protestformen, sondern ist eine inhaltliche Strategie, die sich gegen die Militarisierung der Gesellschaft richtet. Das ist so aktuell wie eh und je. Aber es stimmt: Dass der Antimilitarismus es heute schwer hat, liegt daran, dass der Militarismus anders auftritt.

Wieso?

Vergleichen Sie den preußischen Militarismus vergangener Zeit mit dem heutigen Auftritt des Militärs: Zivil, offen, freundlich, hilfsbereit - die Bundeswehr legt viel Wert auf eine offene Erscheinung nach außen. Sie geht an Schulen und sucht das Gespräch.

Die Strategie der Bundeswehr ist einfach erfolgreich?

Zumindest ist der Anteil der Bevölkerung, der den Afghanistaneinsatz ablehnt, so groß wie der Anteil, der die Bundeswehr demokratisch okay findet. Mit diesem Widerspruch müssen wir leben. Zwar entscheidet sich ein größerer Anteil der jungen Männer für den Zivildienst statt für die Bundeswehr. Die meisten haben aber nichts dagegen, dass die anderen den Kriegsdienst machen. Positiv formuliert ist das ein Zeichen von Toleranz.

Und negativ formuliert?

Diese Toleranz enthebt die Menschen davon, die Dinge selbst normativ zu bewerten. Das hat auch mit einer immer funktionaleren Arbeitsteilung in der Gesellschaft zu tun. Wenn die Gesellschaft komplexer wird, übernehmen Andere bestimmte Aufgaben, für die ich mich nicht zu interessieren brauche. Der Effekt ist auch bei der schleichenden Akzeptanz der öffentlichen Gelöbnisinszenierung zu sehen.

Was würden Sie mir als Friedenscoach empfehlen?

Friedenspolitische Gruppen müssen das neue Auftreten der Bundeswehr ernst nehmen. Das wird auch getan. An Schulen, Berufsschulen, bei Jugendmessen und Volksfesten, wo die Bundeswehr verstärkt für sich wirbt, thematisieren lokale Initiativen diese Problematik. Und auch bei Gelöbnissen wie zuletzt in Stuttgart oder Münster gab es sichtbare Proteste. Diese Mobilisierung ist nicht immer einfach, aber sie existiert.

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7 Kommentare

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  • RM
    Regine Metes

    Mobilisierung

    Sind wir schon wieder soweit?

    So langsam soll sich das Volk wohl wieder daran gewöhnen- Krieg soll wieder salonfähig werden.

    Immerhin haben die Oberen wohl erkannt, daß der Irak-Krieg ein unrechtmäßiger Krieg war. Bei Afghanistan sind sie noch nicht soweit.

    Dies ist der Übungsplatz für deutsche Soldaten, um so allmählich die Hemmung zu verlieren, unter der sie seit dem Desaster Hitler leiden.

    Wir sollten uns lieber nicht an die schleichende Unterwanderung gewöhnen.

  • S
    Schawn

    Weitere Argumente für die gesellschaftliche Legitimatisierung der Bundeswehr! Dafür bedarf es keiner Wehrpflicht mehr. Ein freiwiliges soziales Jahr in Uniform, wie es Militätexperte Thomas Wiegold vorschlägt (http://bit.ly/adJBG9) wäre da doch DIE Alternative!?

  • F
    friedensengel

    Toll, was „Friedensforscher“ und „Friedensbewegte“ so an Unkenntnis, Blödsinn und Arroganz absondern.

    Sie sind – ihrem eigenen Empfinden nach – die Einzigen, die für Frieden sind. Toll. Warum gehen sie nicht nach Afghanistan und regeln das „mal eben“ mit den Taliban? Statt dessen sitzen diese Sesselpupser bequem herum und geben ihr Genöhle ab.

    Was heißt überhaupt „Militarismus“? Militarismus lt. Duden: Vorherrschen, Überbetonung militärischer Gesinnung; starker Einfluß auf die Politik…

    So gesehen gibt es in Deutschland keinen Militarismus.

    Liebe „Friedensbewegte, schminkt Euch ab, daß Ihr diejenigen seid, die Frieden erhalten oder schaffen. Die Welt ist (leider) nicht so. Dafür braucht es die von Euch so verachteten Soldaten, die sogar ihr Leben in die Waagschale werfen, im Unterschied zu Euch!

  • E
    EU-Gegner

    Natürlich werden wir beim Krieg in Afganistan ebenfalls belogen. Hier geht es doch nicht um die armen Afgahnen oder die Sicherheit der von den USA regierten Welt, hier geht es im Hintergrund ganz klar um die Exploration und Vorbereitung der Ausbeutung von Bodenschätzen. Die Armeen haben im Grunde genommen nur die Geologenteams beschützt und erfolgversprechende Gebiete von den Eoinheimischen geräumt. Der Welt und auch den alliierten Soldaten wird natürlich hier was anderes erzählt. Überhaupt sollte sich mal jemand darum kümmern wie faschistisch unsere Soldaten in der politischen Bildung maniupuliert werden. Sie schören zwar der BRD ubnd der Demokratie Ihren Eid, werden aber in Wirklichkeit dazubenutzt um wirtschaftliche Interessen der USA und der Großkonzerne durchzusetzen. Ach Ja, und sie sollen sich auch darauf einstellen küpnftig gegen "Kaoten" und "Terroristen" (sprich demonstrierende Harz4 Empfänger die um Ihre Existenz fürchten) im eigenen Land brutal vorzugehen. Das heißt sie sollen mit Waffengewalt Ihr eigenes Volk für unser Großkapital und die Bürgerfeindlichen koruppten Poltiker unterdrücken und kleinhalten. Vieleicht sollte man mal darüber diskutieren. Ansonsten halte ich eine Berufsarmee wie sie die Briten haben für sinnvoll! Klein aber hart und gut ausgebildet für den Notfall.

    Keine Wehrpflicht mehr! Aber das sollte ein Volksentscheid entscheiden. So, wie sie heute ist, ist unsere Bundeswehr doch nur eine Lachnummer, die keiner auf dieser Welt mehr ernst nimmt. Alles Weicheier, die nur Ihre Dienstzeit als sozusagener Beamter auf der linken Backe absitzen wollen. Das man mich nicht falsch versteht, ich hasse Krieg und bin gemäßigter Pazifist. Lieber rot als tot war früher mein Motto.

  • V
    vantast

    Die Soldaden sollten wissen, wofür sie kämpfen, in der Zukunft hauptsächlich für Öl, Mangan, Coltan, Kakao usw. d.h. für unsere Interessen. In Afghanistan eben auch für die strategische Lage.

    Ist es das wert, sein Leben einzusetzen?

    Der "Kampf gegen den Terror" hat vermutlich viel mehr Menschenleben gekostet, als alle Terroristen zusammen ausgelöscht haben. Wenn man sich wirklich für Menschenrechte einsetzen will geht das auch ohne Waffen, in Hawai etwa, dafür hat man natürlich längst nicht so viel Geld. Krieg spielen hat mehr Reiz.

    Jeder Mensch tut besser dran, kurze Zeit Entwicklungshilfe hier oder anderswo zu betreiben, als einen Waffendienst zu leisten.

  • SS
    Stefan Seither

    Vergleichen Sie den preußischen Militarismus vergangener Zeit mit dem heutigen Auftritt des Militärs: Zivil, offen, freundlich, hilfsbereit

     

    Freundlich ... da kann ja jeder, der beim Bund war, nur drüber lachen.

  • AH
    Aus Haching

    Eine Frage: Wenn Sie finden, dass Ihr Auto schlecht repariert wurde, beschweren Sie sich denn über denn Meister oder über die Hebebühne?

     

    Die Bundeswehr ist das Werkzeug, mit dem Regierung und Bundestag politische Ziele verfolgen. Ob die Ziele gut oder schlecht sind, ob sie kompetent verfolgt werden oder nicht, mag jeder für sich selbst beantworten.

     

    Warum aber soll man gegen das Werkzeug demonstrieren, wenn man die Politik nicht will?