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Archiv-Artikel

Loten ihre musikalische Glücksvision aus: „The String Cheese Incident“ in der Fabrik Folget dem Stern

Liftpässe, Bier, Partys: Das Leben auf der Skipiste kann ganz schön teuer sein. Und so beschlossen anfangs vier, später fünf bärtige Jungspunde aus Crested Butte, einem Wintersportnest in Colorado, sich ihren täglichen Schneespaß durch allabendliche Auftritte als Band zu finanzieren.

Die fixe Idee von 1993 wurde für The String Cheese Incident zum erstaunlichen Selbstläufer. Inzwischen hat sich ihr kleines musikalisches Zubrot auf weit über 1.000 Konzerte summiert, anfangs als Geheimtipp in Kneipen des verschneiten heimischen Bundesstaates, schon bald als eine der erfolgreichsten US-Livebands in Arenen für 10.000 Zuschauer. Dazu sind mit dem aktuellen Untying The Not (Pias) sechs Alben beim hauseigenen Label Fidelity Records erschienen.

Als Nachfolger der Grateful Dead müssen oder dürfen sie sich zumeist bezeichnen lassen – die zotteligen Bärte und der herausposaunte Traum vom Weltfrieden dürften Schuld daran sein. Und natürlich die Musik der hervorragenden Instrumentalisten: Jede Menge Bluegrass-Wissen haben sich The String Cheese Incident angeeignet, dazu gibt es ein Sammelsurium aus Afrobeat-Grooves, Son- und Calypso-Anleihen, jazzigem Gefrickel, einer Prise Elektrokram und jeder Menge poppiger Melodien vor improvisierten Jam-Einlagen. Präsentiert wird diese Qualitäts-Weltmusik mit viel Rock‘n‘Roll-Attitüde bei Auftritten, die oftmals Marathonlänge haben. Ganz klar, dass der Spaß tanzbar ist.

Um den musikalischen Rausch bei ihren Party-Konzerten nicht abebben zu lassen, haben die Skifahrer ihre Idee vom musikalischen Glück als eine Art ganzheitliches Konzept angelegt. Fans werden quasi als Band-Evangelisten eingespannt. Registriert auf der Homepage der Band, verbreiten sie die frohe Kunde über das Land, es werde eine gute Livekapelle auch in deine Stadt kommen. Folget dem Stern. Mehr als 10.000 Fans betreiben allein in den USA so Promoarbeit für die Band, entlohnt mit Konzerttickets.

Außerdem sind feste Elemente in die Tourneen von The String Cheese Incident eingebettet. So sollen besonders schöne Lokalitäten bespielt werden, ob barocke Theater oder atemberaubende Freiluftbühnen. Dazu kommt ein „International Incident“, eine Auslandsreise an einen besonders exotischen Ort. Verschworene Fans folgen natürlich gerne nach Jamaica oder Costa Rica. Rock‘n‘Roll als Pauschalreise, die Band hilft sogar bei der Suche nach Unterkünften. Nebenbei werden noch eine Menge lokaler Projekte unterstützt: Essensspenden für ein Obdachlosenprojekt, Spielzeug für Indianerreservate, sozialer Wohnungsbau, für die Wahl registrieren lassen. Allesamt Aktionen mit erstaunlich großem Erfolg.

Wie Missionare auf heidnischem Terrain muss sich die Band wahrscheinlich nun bei ihrem Hamburg-Auftritt vorkommen. Ohne ihre Vorhut aus Fans, in einer kleinen, schnöden Fabrikhalle – und ohne Skipisten im nordischen Flachland. Doch so viel grinsender Lebensfreude wird das keinen Abbruch tun. Volker Peschel

Donnerstag, 20 Uhr, Fabrik