Förderung erneuerbare Energien: Solarstrom boomt - und kostet mehr
Die Umlage für Ökostrom steigt stark: 3,53 Cent pro Kilowattstunde zahlt ab 2011 jeder Stromkunde dafür. Die Stromriesen kritisieren das, denn Ökostrom macht ihnen Konkurrenz.
Verbraucher werden im nächsten Jahr mit ihrer Stromrechnung exakt 3,53 Cent pro Kilowattstunde für die Förderung erneuerbarer Energien bezahlen, wie sie im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt wurde. Diesen Betrag hat am Freitag die Bundesnetzagentur offiziell bestätigt. Im Jahr 2010 hatte dieser Satz noch bei rund 2,05 Cent gelegen. Ein Durchschnittshaushalt bezahlt damit über die sogenannte EEG-Umlage künftig etwa 10 Euro pro Monat für die Förderung der erneuerbaren Energien, bislang waren es etwa 6 Euro.
Der deutliche Anstieg, der sich ab Januar in steigenden Strompreisen widerspiegeln wird, ist vor allem durch den Solarstrom bedingt. Denn auf Dächern und auch auf Freiflächen wurde in den vergangenen Monaten unerwartet viel Photovoltaik installiert: Die Gesamtleistung aller Module könnte von 10.000 Megawatt zum Jahresbeginn auf 18.000 Megawatt zum Jahresende steigen. Angeheizt wurde der Markt durch die Senkung der Fördersätze zum Juli und Oktober, denn die Solarbranche konnte vor den Stichtagen mit einer Art Schlussverkauf werben. Da die Einspeisevergütung für Neuanlagen ab Januar 2011 erneut um 13 Prozent sinkt, ist bis Jahresende mit einem weiteren Schub zu rechnen.
Die Bekanntgabe des neuen Satzes führte zu teilweise heftigen Reaktionen in der etablierten Stromwirtschaft. "Mit zunehmenden Erzeugungskapazitäten baut sich eine irrsinnige Welle an Kosten auf, die auf uns zurollt", sagte der Hamburger Vattenfall-Manager Pieter Wasmuth. Und seitens des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), das personell sehr eng mit dem Stromkonzern RWE verflochten ist, wurde gar die Forderung erhoben, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu deckeln.
Unterdessen verteidigte das Bundesumweltministerium die Förderung des Ökostroms als "ökonomisch, ökologisch und auch geopolitisch sinnvoll". Allerdings müsse sie regelmäßig an die positive Marktentwicklung angepasst werden. Moderat reagierte auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): "Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland ist wichtig und richtig, hat allerdings seinen Preis. Das sollte jeder Verbraucher wissen." Der Bund der Energieverbraucher sagte, Verbraucher seien durchaus bereit, für den Ausbau der Erneuerbaren höhere Strompreise in Kauf zu nehmen, nicht jedoch für die höheren Gewinne der Versorger.
Die Solarbranche selbst verwies am Freitag auf ihre Erfolge. Günther Cramer, Präsident des Bundesverbands Solarwirtschaft, rechnete vor, dass seit 2006 die Preise für Solarstrom um 40 Prozent gesunken seien. So könne in drei Jahren der Solarstrom sogar das Preisniveau der Verbraucherstromtarife erreichen - womit sich die Solarenergie "auf dem besten Weg zur Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Energieformen" befinde.
Der Erfolg der Solarenergie ist inzwischen so groß, dass er die Gewinne der etablierten Konzerne erheblich schmälert - was dann auch deren heftige Kritik erklärt. Bislang konnten die Betreiber von Kohle- und Atomkraftwerken ihren Strom insbesondere mittags zu besonders hohen Preisen verkaufen, weil aufgrund der hohen Nachfrage in diesen Stunden der Strompreis an der Börse hoch war. Seit nun aber mehrere Gigawatt an Solarstrom ins Netz drücken, ist der Preis an der Strombörse zur mittäglichen Spitze kaum noch höher als zu anderen Stunden des Tages. Damit entgehen den Betreibern von Großkraftwerken beträchtliche Einnahmen - pro Kraftwerk und Tag können die Mindererlöse durchaus 100.000 Euro erreichen.
Auf diesen Rückgang der Preise an der Strombörse, den die erneuerbaren Energien hervorrufen, wies gestern auch die Bundesnetzagentur hin. Kalkuliert man korrekt, muss dieser bei der Festlegung der Strompreise nämlich gegengerechnet werden. "Nach unseren Berechnungen müsste der Beschaffungskostenanteil bei den Haushaltskunden 2011 durchschnittlich um etwa einen halben Cent pro Kilowattstunde sinken", teilte die Netzagentur mit. Konkret: Von dem Anstieg der EEG-Umlage um 1,5 Cent dürfte am Ende nur ein Cent tatsächlich bei den Kunden ankommen.
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