Föderalismus schädigt Nichtraucher : KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN
Ist dieses Land noch politikfähig? Monatelang verhandeln die Koalitionsparteien über einen Kompromiss zum Nichtraucherschutz – und kaum haben sich Christ- und Sozialdemokraten geeinigt, da werden plötzlich Zweifel laut, ob der Bund denn überhaupt für diese Materie zuständig ist. Und es ist nicht der erste Fall. Allein in der zurückliegenden Woche kam dieselbe Frage schon zweimal auf: bei den Themen Verbraucherinformation und Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger.
Früher als erwartet werden so die Folgen der missglückten Föderalismusreform sichtbar. Als hätten nicht die Experten schon im Vorfeld nahezu einhellig gewarnt, das Chaos im Bundesstaat werde durch die Neuregelung eher vergrößert als verkleinert. Aber ähnlich wie bei der Gesundheitsreform wollte niemand auf sie hören: Der großen Koalition ging es um die Demonstration eines abstrakten Reformwillens. Unter den Tisch fiel der praktische Sinn der beschlossenen Gesetze.
Dabei ist es keineswegs so, dass föderale Zuständigkeiten prinzipiell nicht funktionieren könnten. In der Schweiz oder den Vereinigten Staaten sind die Unterschiede zwischen Kantonen oder Bundesstaaten oft weit größer als in der Bundesrepublik Deutschland. Während zum Beispiel in Zürich weiter gequalmt werden darf, will der Kanton Solothurn das Rauchen in Gaststätten jetzt komplett verbieten. Das muss an sich noch kein Unglück sein. Veränderungen vollziehen sich in föderalen Systemen oft langsamer als in zentralistischen. Dafür werden sie dann umso nachhaltiger akzeptiert.
Die deutsche Krankheit ist, dass sich eine entscheidungsscheue Politik samt Lobby-Interessen hinter einem tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Kompetenzchaos versteckt. Die föderalen Regeln könnten vermutlich noch so eindeutig sein – hierzulande findet sich immer irgendein Gutachter, der ernste Rechtsbedenken anmeldet. Beispiele aus zentralistischen Ländern wie Italien zeigen aber: Eine verkorkste politische Kultur lässt sich per Verfassungsänderung nicht abschaffen. Bislang war der Ladenschluss das – arg strapazierte – Symbol für diesen Stillstand. Jetzt ist es die Endlosdebatte um ein so simples Thema wie das Rauchverbot.