: Flurschaden durch Sparversuch
■ Senat will die Elternschule am Grindel schließen
„Geht es um Kokosnüsse oder um Peanuts?“ Rüdiger Krusch, Mitglied des Jugendhilfeausschusses im Bezirk Eimsbüttel findet den Prüfauftrag des Senats reichlich lächerlich. Und der will sparen in allen Bereichen und am besten beim Personal. Ins Visier hat der Senat dazu auch die 23 Elternschulen in Hamburg genommen. Eine Arbeits- gruppe sollte klären, welche Einrichtungen sich am wenigsten mit der Betreuung sozial benachteiligter Familien befaßt sind.
Es stand schnell fest, welche das sein sollte: Die Elternschule am Grindel sollte geopfert werden. Schließlich leben in den Stadtteilen Harvestehude und Rotherbaum nur wohlhabende Leute, so das Vorurteil. Was die Arbeitsgruppe dabei geflissentlich ignoriert habe, seien die Grindelhochhäuser, die hauptsächlich zum Einzugsgebiet gehören, wie Matthias Precht vom bezirklichen Jugendamt kritisierte. Eimsbüttel sei mit vier Elternschulen auch keineswegs überversorgt. Denn auch Familien aus anderen Stadtteilen nehmen das Angebot wahr: „Den Besucherinnen sind Bezirksgrenzen doch egal. Die nehmen die am nächsten gelegene Einrichtung. Man kann doch nicht künstlich Bezirksgrenzen aufziehen“, argumentiert Precht für den Erhalt der Elternschule am Grindel.
Für Rüdiger Kruse ist völlig unverständlich, warum gerade hier gespart werden soll. Die Elternschulen müssen ohnehin meist nur mit einer Dreiviertel-Leiterinnen-Stelle auskommen. Der Flurschaden, der durch eine Schließung angerichtet werde, stehe in keinem Verhältnis mehr zum Einspareffekt. Denn die Elternschulen leisten schließlich Präventivarbeit, wie die Leiterin Barbara Struve von der betroffenen Elternschule am Grindel betont, indem sie unter anderem Themen wie Gewalt unter Kindern, Beziehungskrisen oder Suchtfragen aufgreifen – Vorbeugung kommt hier auf jeden Fall billiger. Familienbezogen und -begleitend gibt es Kurse und Beratung zu Erziehungs-, Haushalts-, Berufsfragen oder auch zur Freizeitgestaltung. Der Schwerpunkt liegt auf Eltern-und-Kind-Angeboten und dem Gesundheitsbereich. Das besondere an diesen Einrichtungen ist, daß sie Rat und Hilfe ganz unbürokratisch, ohne Anmeldung und kostenlos geben. Die offenen Treffs können genervte Mütter auch einfach besuchen, wenn ihnen die Decke auf den Kopf fällt.
Die drohende Schließung ist für das Jugendhilfeausschußmitglied Anke Wortmann nicht nur eine sozialpolitische, sondern auch eine frauenpolitische Frage: „Die Elternschulen bieten Frauen mit Kindern die Möglichkeit, aus ihrer Isolation herauszukommen.“ Die Antwort des Ausschusses und auch der bezirklichen Jugendbehörde auf den Senatsprüfungsauftrag lautet: Die Elternschule ist nicht überflüssig. Und dafür will man sich, wenn nötig, auch stark machen.
Patricia Faller
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