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Flüchtlingskind in Mecklenburg-VorpommernMariam kann auf eine Wohnung hoffen

Die achtjährige Mariam muss in einem Flüchtlingsheim leben, obwohl sie krank ist. Die Regierung in Mecklenburg-Vorpommern will ihr nun eine Wohnung organisieren.

Mutter und Tochter hätten längst außerhalb des Heims untergebracht werden müssen. Bild: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Das CDU-regierte Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns will doch im Fall Mariam Blal tätig werden. Die taz hatte am 11. Februar berichtet, dass das kranke achtjährige Mädchen seit der Geburt im Flüchtlingsheim lebt – obwohl nach Gesetzeslage auch eine Unterbringung in einer Wohnung möglich wäre.

Man sei dabei, den Fall eingehend zu prüfen. "Da muss was passieren, aber schnellstens", sagte Roland Vogler-Wander, stellvertretender Ministeriumssprecher, nach mehrfacher Nachfrage schließlich der taz. "Wir werden für sie eine Wohnung suchen, ganz einfach."

Mariam lebt mit ihrer algerischen Mutter Sara in einem 18 Quadratmeter großen Zimmer im Flüchtlingslager in Parchim, Küche und Bad teilen sie sich mit anderen Bewohnern. Vor zwei Jahren wurde dem Mädchen eine Epilepsie diagnostiziert. Der zuständigen Parchimer Ausländerbehörde liegen zwei ärztliche Gutachten mit der Bitte um eine dezentrale Unterbringung vor.

Die Behörde weigerte sich bisher, Mutter und Tochter in einer Wohnung unterzubringen. Denn die Mutter sei 2002 straffällig geworden, als sie sich falsche Ausweispapiere besorgt habe. 2001 wurde der Asylantrag der Mutter abgelehnt, seitdem werden sie und ihre Tochter geduldet.

"Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, ist das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen" steht in der UN-Kinderrechtskonvention. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte 2010 die Konvention auch beim Ausländerrecht akzeptiert. Seither muss auch das Wohl von Flüchtlingskindern eigentlich vor allem anderen berücksichtigt werden.

"Mariam kann nichts für die Fehler ihrer Mutter", sagte Ulrike Seemann-Katz vom mecklenburgischen Flüchtlingsrat. "Straftaten sind von Belang. Aber das Wohl des Kindes ist vorrangig." Mutter und Tochter hätten längst dezentral untergebracht werden müssen. "Das fordern wir weiterhin." Im Bundesland gebe es viele leere Wohnungen, so Seemann-Katz.

"Dutzendfacher Verstoß"

Die rechtliche Grundlage für den Umgang mit Asylbewerbern und Geduldeten bildet in Mecklenburg-Vorpommern das Flüchtlingsaufnahmegesetz von 1994. Es schreibt grundsätzlich die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vor. Ausnahmen kann es aus "medizinischen Gründen" geben, besagt ein Erlass von 1997.

In ihrem letzten Gutachten vom Dezember 2010 hatte Mariams Ärztin gebeten, "die Wohnsituation der Patientin kritisch zu überdenken und sie dauerhaft in einer passenderen Wohnung unterzubringen". Denn im Heim sei es bis weit in die Nacht hinein laut, ein Schlafdefizit aber erhöhe das Risiko epileptischer Anfälle. Mariam Blal wirke chronisch übermüdet und erschöpft.

Heiko Kauffmann von Pro Asyl spricht sogar von einem "dutzendfachen Verstoß" gegen die Kinderrechtskonvention. Das Recht auf Gleichbehandlung sowie auf Gesundheit und Privatsphäre seien bei Mariam nicht eingehalten worden. "Wenn die Bundesregierung es ernst meint mit der Konvention, muss sie sie im Grundgesetz verankern", sagte Kauffmann. Nur so gebe es eine Chance, die zuständigen Ämter zum Umdenken zu bewegen.

"Ja, vielleicht hat in diesem Fall die Ausländerbehörde ihren Ermessensspielraum falsch ausgelegt", sagt jetzt auch Vogler-Wander. Der zuständige Landkreis sei jetzt zu einer unverzüglichen Stellungnahme aufgefordert worden. "Konsequenzen muss der Leiter der Ausländerbehörde aber nicht befürchten", sagte Vogler-Wander.

Grüne und Linkspartei haben nun die schwarz-rote Landesregierung erneut aufgefordert, das Flüchtlingsaufnahmegesetz zu ändern. Aus dem Innenministerium heißt es jedoch, das Gesetz sei in Ordnung. Es müssten nur alle Ausnahmefälle richtig berücksichtigt werden. "Mariam Blal ist ein trauriger Einzelfall", sagte Vogler-Wander. Die Linksfraktion will das nun genau wissen. Sie hat angekündigt, die Landesregierung zu fragen, wie viele Kinder in Flüchtlingsheimen leben, aber krank sind.

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12 Kommentare

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  • N
    Nania

    @Frau Edith Müller

     

    Es ist schade, dass es in Deutschland Leute gibt, die so denken, wie Sie.

    Dieses Mädchen ist in Deutschland geboren, kennt Algerien nur aus Erzählungen ihrer Mutter.

     

    Dazu kommt, dass das Gesundheitssystem in Algerien zwar kostenlos ist, aber immernoch unzureichend. Glauben Sie wirklich ein an Epilepsie leidendes Mädchen würde dort eine gleichwertige Versorgung wie in Deutschland bekommen?

     

    Darüberhinaus wissen Sie nicht, warum die Mutter nach Deutschland geflohen ist. Ist Mariam möglicherweise ein uneheliches Kind? Ist Sie geflohen wegen ihrer politischen Meinung? Hat Sie vielleicht was gelernt, studiert und möchte hier in Deutschland rechtmäßig leben und ihrem Kind was gutes bieten? Würden Sie nicht auch, würden Sie in ihrem Heimatland keine Hoffnung und keine Perspektive sehen, überlegen, in ein Land zu ziehen, in dem Milch und Honig zu fließen scheinen?

     

    Überlegen Sie doch mal: Den meisten Menschen in Deutschland geht es besser als den meisten Menschen in Algerien. Würden Sie sich da nicht wünschen, dort zu leben, wo es Ihnen besser geht?

     

    Aber bei dem, was ich sonst so von Ihnen hier gelesen habe, glaube ich nicht, dass Sie auch nur irgendein Interesse am Wohl dieser Menschen haben. Hauptsache schnell weg und was dann passiert interessiert Sie nicht mehr, oder?

     

    Deutschland ist übrigens schon seit einigen Jahren kein Ein- sondern ein Auswanderungsland

  • FE
    Frau Edith Müller

    @ Pink

     

    Ärgern? Über Sie? Sie sind viel zu bedeutungslos.

     

    P.S.Spenden Sie nun für das Mädel oder sind Sie klamm?

  • P
    Pink

    @Die teutsche Frau Edith Müller:

     

    Lach, ärgern Sie sich nicht, dass ich Sie ertappt habe. Es ist schon klar, welches Spektrum Sie bedienen wollen.

     

    Es ist schön zu lesen, dass Mariam eine Wohnung bekommt mit ihrer Mama, und meine besten Wünsche begleiten das Kind.

     

    Danke an die TAZ, dass Sie sich bemüht haben !

     

    Und, sehr geehrte Frau Edith Müller, vergessen Sie weitere Versuche ... bei mir beißen Sie auf Titan :-)

  • FE
    Frau Edith Müller

    @ pink: Wissen Sie mehr als ich? Ich konnte in keinem der beiden Artikel rauslesen, dass die Mutter Probleme in Art dieses afghanischen Mädchens hatte und sie deshalb aus Algerien "flüchtete". Aber vielleicht haben Sie ja Insiderwissen?

     

     

    Und natürlich ist es rassistisch, wenn man jemanden nicht in seine Heimat zurück lässt, weil man dieser unterstellt, sie wären zu dumm, an Epilepsie erkrankte Kinder zu behandeln. Wie ich bereits schrieb, hat Algerien ein kostenloses Gesundheitssystem. Warum sollen wir bitteschön dieses Kind hier behandeln?

     

    Sie können sich doch gerne bei den entsprechenden Stellen melden und einen Teil Ihres Einkommens- wenn denn eins haben- dieser Familie zur Verfügung stellen. Was hindert Sie daran? Oder geht Ihre Menschenliebe nur soweit, dass Sie andere zur Zahlung auffordern, selbst aber klamm oder geizig sind?

  • P
    Pink

    @die deutsche Frau Edith Müller:

     

    Wieder mal ertappt, sehr geehrte Frau Edith Müller.

    Letztens machten Sie sich lustig, über die Existenz eines gemarterten Mädchens in Afghanistan.

    Heute ist es dieses Mädchen !

     

    Sie unterstellen der TAZ Rassismus ?

    Siiiiieeeeeeeee ?????????

  • R
    RLS

    Ich frage mich ob auf unseren Behörden nur noch Roboter sitzen, ohne Herz und Anstand.

     

    Was dieses Land bräuchte, wären mehr Menschen mit der Zivilcourage eines H. D. Thoreau der sich weigerte als Schullehrer Kinder zu schlagen, obwohl es die Schulordnung so vorsah. Dort wo es moralisch und ethisch richtig ist, sich gegen ein Gesetz oder Anordnungen aufzulehnen sollte es gemacht werden !! Jeder der es nicht macht, nimmt sonst am Unrecht teil.

     

    Es gibt Berufe, da sollte man die Angestellten nicht nach Schulnoten oder Studium auswählen, sondern nach Herz und Charakter. Was sich Behörden gerade in den letzen Jahren mit Kindern geleistet haben, ist eine Schande.

     

    Und @easygoing, egal was für andere Probleme auftreten, es handelt sich um ein Kind, und nicht um einen Gegenstand.

     

    In diesem Land wollen alle Christen sein, aber sie gleichen viel mehr Charles Dickens Romanfigur "Scrooge"

  • FE
    Frau Edith Müller

    Warum wird mein Kommentar mit Algeriens Eckdaten nicht veröffentlicht? Weil damit der Beweis erbracht wäre, dass Mariam plus Mutter nicht einen einzigen Grund haben, sich auch nur noch einen einzigen Tag in Deutschland aufzuhalten?!

    Ich hätte wissen müssen, dass die taz wieder nur die gutmenschlichen Allgeimeinplätze veröffentlicht.

     

    P.S. Glauben Linke eigentlich, Algerier wären zu blöde, Epileptiker zu behandeln? Ganz schön rassistisch!

  • E
    easygoing

    Die Regelung, dass das Kinderwohl oberste Priorität genießen solle, finde ich klasse.

    Aber Achtung mit der Verankerung in Grundgesetz:

    Plötzlich könnte die Zahl der Neugeborenen in besagten Heimen steigen, weil viele Bewohner - ich denke dabei vorwiegend an die weiblichen - sich so einer "dezentralen" Lösung bemächtigen dürften.

    Alle Bewohner mit Kindern raus aus der Heimlichkeit und rein in eine eigene Wohnung. Klingt genial, aber geholfen ist damit auch niemanden, weil andere Probleme auf den Plan treten werden.

     

    Gruß,

    easygoing.

  • N
    noevil

    Bleiben Sie bitte an der Sache dran! Das glaub ich erst, wenn ich - vollendete - Tatsachen berichtet bekomme. Und dann kann man nur auf die Menschlichkeit im Ausschöpfen des Entscheidungsspielraumes der Behörden hoffen. Sie haben die Macht. Hoffentlich sind sie sich der damit verbundenen Verantwortung - auch den aus Not zu uns gekommenen Menschen gegenüber - bewusst.

  • N
    neuköllner

    So traurig dieser Fall auch ist,Deutschland ist nicht das Sozialamt der ganzen Welt.Kommt die Ärztin die für dieses Kind eine eigene Wohnung fordert für die Kosten auf , Natürlich nicht,dafür soll gefälligst der Rest der Republik arbeiten gehen,sie selbst kann sich dann im Gutmenschentum suhlen.

  • W
    Waage

    Hallo taz,

     

    schön das sich durch das Engagement von Pro Asyl, der Linksfraktion und der Berichterstattung etwas bewegt!

     

    Die "Straffällikeit" ist aus einer Notlage der Mutter erklärbar und ehrt sie in meinen Augen sogar.

    Eventuell stimmt ja mit unserem Einwanderungsrecht noch irgend etwas nicht!?!

     

    Diesen Fall (und ähnliche Fälle) bitte von Zeit zu Zeit nachhaken!

     

    LG

  • V
    vic

    Aus der Not "falsche Papiere besorgt" Welch Verbechen.

    Und deshalb muss ein krankes Kind im Flüchtlingsheim aufwachsen.

    Deutschland- das Land der großen Worte- in Sachen Humanität und Integration.