Flüchtlingskatastrophe vor Indonesien: Mehr als 200 Tote befürchtet
Ein Boot mit 250 Menschen aus Afghanistan und Irak an Bord sinkt in der Nähe der Insel Java. Sie wollten in Australien um Asyl bitten. Es gibt kaum noch Chancen für die Vermissten.
![](https://taz.de/picture/236223/14/Flucht6352715.jpeg)
SYDNEY taz | Flüchtlingsdrama vor der Küste Indonesiens: am Samstagmorgen ist ein mit bis zu 250 afghanischen und irakischen Flüchtlingen beladenes Boot rund 40 nautische Meilen vor Prigi Beach auf der Insel Java gesunken. Sie waren auf dem Weg nach Australien, um dort um Asyl zu ersuchen.
Bis Sonntagabend konnten Fischer und Rettungskräfte nur etwa 33 Menschen retten. Andere Quellen sprechen von bis zu 87 Überlebenden. Die Sucharbeiten nach rund 200 Vermißten werden durch schweren Seegang mit bis zu fünf Meter hohen Wellen behindert.
Einzelne Überlebende meinten, ein Menschenschmuggler habe ihnen zugesichert, das Boot werde sie auf die zu Australien gehörende Weihnachtsinsel bringen. Das Schiff habe bei starkem Seegang zu schwanken begonnen. Darauf seien die Insassen in Panik geraten, was die Stabilität des Bootes weiter beeinflußt habe. Kurze Zeit später sank das Schiff. Laut Aussagen der Überlebenden seien mehr als 40 Kinder an Bord gewesen.
Ein Sprecher der indonesischen Behörden meinte am Sonntag, es gäbe kaum Hoffnung, weitere Überlebende zu finden. Insgesamt seien ein Kriegsschiff, zwei Hubschrauber und mehrere Fischerboote an der Suche beteiligt.
Politik der Abschreckung
Das Unglück kommt knapp ein Jahr nach einer ähnlichen Tragödie. Damals starben bis zu 50 Menschen - unter ihnen viele Kinder -, als ein ebenfalls überladenes Fischerboot bei schwerem Seegang an den Klippen vor der Weihnachtsinsel zerschellte. Der Vorfall verschärfte in Australien die seit Jahren anhaltende Debatte um die Behandlung von Asylsuchenden, die per Boot von Indonesien aus nach Australien gelangen.
Das Land verfolgt seit Jahren eine Politik der Abschreckung von potentiellen Asylsuchenden. Diese werden nach ihrer Ankunft zum Teil Jahre lang unter harten Bedingungen in Internierungslagern eingesperrt. Ein Plan der sozialdemokratischen Regierung von Premierministerin Julia Gillard, Bootsflüchtlinge künftig nach Malaysia zu schicken, um ihr Gesuch um Asyl prüfen zu lassen, scheiterte kürzlich am Widerstand der Konservativen. Diese will die Asylsuchenden in einem Internierungslager auf der abgelegenen Insel Nauru auf den Asylentscheid warten lassen.
Flüchtlingsorganisationen und die Vereinten Nationen kritisieren regelmäßig, daß Fliehende auf diese Weise kriminalisiert und zusätzlich traumatisiert werden. Im laufenden Jahr kamen rund 6000 Asylsuchende auf Booten nach Australien. Die meisten werden schließlich als echte Flüchtlinge anerkannt. Der australische Immigrationsminister Jason Clare weigerte sich am Sonntag zu debattieren, ob der Entscheid Australiens, Asylgesuche weiter im Land selbst prüfen zu lassen, Flüchtlinge anlockt. "Menschen sind gestorben", meinte er. "Dies ist nicht der Zeitpunkt für Politik".
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