Flüchtlinge in Deutschland: "Der Blick ist versperrt"
Die prominente Juristin Renate Jaeger erinnerte sich bei der Vorstellung des Grundrechtereports an ihr Schicksal als Flüchtlingskind. Sie fordert mehr Mitgefühl.

Flüchtling aus Tunesien auf Lampedusa. Bild: reuters
KARLSRUHE taz | Die Exverfassungsrichterin Renate Jaeger fordert "mehr Empathie" für Flüchtlinge" und eine liberale Bleiberechtsregelung – auch für Menschen, die nicht aus politischen Gründen ihre Heimat verlassen haben. Jaeger sprach am Montag in Karlsruhe bei der Vorstellung des jährlichen Grundrechtereports und verwies dabei auf ihr persönliches Fluchtschicksal nach dem Krieg.
"Wir sind nach dem Krieg aus Thüringen geflohen, als das Land dem russischen Sektor zugeschlagen wurde", berichtete sie auf Nachfrage. "Wir fuhren im Viehwaggon und lebten im Lager, ich kenne das alles - auch die feindlich gesinnte neue Umgebung", erinnerte sich die Juristin, die damals vier Jahre alt war.
"Wir hatten Hunger und haben nur überlebt, weil meine Mutter Lebensmittel gestohlen hat und ich gebettelt habe." Bis zur Währungsreform 1949 habe diese dramatische Phase gedauert. Die Familie hatte sogar überlegt, nach Südamerika auszuwandern.
"Die historisch bedingte Fixierung des Asylrechts auf politisch Verfolgte hat den Blick auf andere legitime Fluchtgründe versperrt", sagte Jaeger jetzt. "Auch wer vor drohendem Hunger oder aus bitterer Armut flieht, hat anerkennenswerte Gründe, sein Land zu verlassen." Das Gleiche gelte für die ständige Unsicherheit in einer tyrannischen Gesellschaftsordnung, selbst wenn jemand persönlich nicht verfolgt werde. "Auch wer mit dem Geld der Familie nach Europa geschickt wird, ohne gefragt zu werden, ist in einer Zwangslage", erklärte Jaeger.
Kaum tragbare Belastungen
Die prominente Juristin forderte nun, dass bei der Frage von Ausweisung und Abschiebung weniger auf die Fluchtgründe als auf den bisherigen Aufenthalt in Deutschland geschaut wird. "Wer sich nichts zuschulden kommen ließ und hier Bindungen aufgebaut hat, muss eine bessere Chance haben, zu bleiben." Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wo sie bis 2010 sechs Jahre lang wirkte, gehe bereits in diese Richtung.
Jaeger betonte zugleich, dass die Staaten ein Recht hätten, über die Einwanderung von Ausländern zu entscheiden. "Die Entscheidung muss aber schnell fallen", forderte Jaeger. Die quälende Ungewissheit über die eigene Zukunft sei oft eine kaum tragbare Belastung. In diesem Zusammenhang kritisierte Jaeger auch die oft monatelange Abschiebehaft in Deutschland.
Der Grundrechtereport wird jährlich durch neun Bürgerrechtsorganisationen - von der Humanistischen Union bis zu Pro Asyl - erarbeitet. Der Bericht erscheint in diesem Jahr zum 15. Mal. In rund 50 kleinen Fallstudien werden dabei Verletzungen der Grundrechte durch Verwaltung, Gerichte und Parlamente angeprangert. Grundthese des "alternativen Verfassungsschutzberichts": Nicht linke und rechte Extremisten gefährden unsere Freiheit, sondern der Staat.
Als persönliche Betroffene berichtete in Karlsruhe auch eine Heidelberger Studentin. Sie ist in der "Kritischen Initiative" tätig, die im Vorjahr durch einen verdeckt ermittelnden Polizeibeamten mit dem Alias "Simon Brenner" ausgeforscht wurde. "Wir sind noch immer schockiert, wie die Polizei auch unser gesamtes Privatleben und unsere Freundschaften ausgeforscht und in Dossiers festgehalten hat." Langfristiges Ziel von Brenner war das Vordringen in eine kämpferische Heidelberger Antifa-Gruppe.
Martin Heiming, der als Anwalt die ausgeforschten Studenten vertritt, zeigte eine Abhöreinrichtung vor, die jüngst im "zentralen Fachschaftsraum" der Heidelberger Uni gefunden wurde. "Wie sie dorthin kam, wissen wir nicht."
Leser*innenkommentare
Rudi Hess
Gast
Wenn ich an die gehässigen, beleidigenden Kommentare zurückdenke, die wir "Neubürger" bei den Einheimischen in Baden-Württemberg einstecken mussten, dann weiß ich: Auch heute sind die Menschen nicht besser geworden. Es ist nicht nur Angst vor den Fremden, es ist ein billiger, primitver Eigennutz, der oft sogar vor eigenen Verwandten nicht Halt macht. Weiter so Deutschland, das Negativ-Bevölkerungswachstum wird mithelfen, dass solche Völker an ihrer eigenen Gier und Habsucht ersticken.
claudiusBraxel
Gast
Von eigenen subjektiven Erlebnissen als Betroffene
herrührend, auf allgemeingültige
Gesetze zum Wohle eines Volkes zu schließen
funktioniert nur zufällig.
Das ist so als wenn ein Bauer Norwegens allgemeine
Saat- und Ernteregeln für die Welt aufstellen wöllte
ohne zu berücksichtigen das in Äquatornähe
und in den mittleren Breiten ganz andere
klimatische Bedingungen und kein Polartag/-nacht
existieren.
Renate Jäger hat Recht das Asylentscheide
schneller kommen müssen und die zermürbende
Warterei nicht mehr als maximal 1 Jahr dauern dürfe.
Aber die Kontrolle der Identität, Vorstrafen, etc.
sind wichtig!
Die Gründung von Exklaven, wie in Berlin
war ein großer Fehler. Es müssen deshalb
Maßnahmen zur erfolgreichen Verteilung und
Assimilation von Ausländern erfolgen.
Renate Jäger ist selber ein Stück weit verlogen,
wenn Sie sich als Befreierin der Asylanten aufspielt
und gleichzeitig die Gefahr einer aus den
Fugen geratenen sich selbst entfremdeten
Bevölkerung mit heterogenen, radikalen Splittergruppen ignoriert.
Wenn aus Deutschland ein Pulverfass werden würde,
lebt diese Pseudomenschenrechtlerin nicht mehr.
Aber die Folgen hat dann eine stark überalterte,
hochverschuldete und nachwuchsarme Bevölkerung zu
stemmen, die sich dann ethnologischen
und kulturellen Strömungen der Einwanderer
unterwerfen müßte oder anderenfalls
einen Bürgerkrieg riskieren würde.
Renate Jäger sollte lieber durchdachte Konzepte
anbieten, als idiotische Parolen zur Ichinszenierung
auszusenden. Diese müssen finanzierbar,
bedarfsgerecht, sozial und nützlich sein.
Allmosenwirtschaft führt immer irgendwann zum Kollaps!
Das Land kann das Leid dieser Welt nicht durch
Asylpolitik lösen. Und auch der dramatische
Geburtenrückgang, ausgelöst durch schlechte
Sozialstrukturen in Schulen und Berufsleben
für Mütter und Jungen, kann durch Einwanderung
nicht wirksam bekämpft werden. Nur
weitsichtiges marktwirtschaftliches Handeln funktioniert. Und die Menschen, die hierher kommen,
haben beträchtliches Geld für Schlepper u.a.
investiert. Die wirklich armen Menschen hätten dafür
kein Geld.
Sinnvoller wäre es dem neuen Tunesien aktive
Starthilfe in eine neue Zukunft anzubieten,
indem:
sichergestellt wird, das Folterer und Mörder
nicht mehr im öffentlichen Dienst
einen Arbeitsplatz erhalten
viele ökonomisch annähernd gleich wertvolle
privatisierte Tourismusbetriebe
in adäquate Hände überführt werden
die Landwirtschaft, Fischzucht und
Viehwirtschaft privatisiert wird
kulturelle Startupfirmen unterstützt werden
Theater, Filmfirmen, Arabische Musikstudios,
Internet-startups
behördliche Strukturen zur sicheren
Bezahlung von Beamten und Korruptionskontrolle aufgebaut werden
Krankenhäuser und Schulen modernisiert werden,
falls nötig
die arabische Modeindustrie gefördert wird,
Solarkraftwerke, alternative Energien
u.v.a.
Dieses neu erschaffene Kleinod könnte dann
Arbeitsplätze für zahlreiche arabische Flüchtlinge
bieten und eher zur vertrauten Heimstätte
arabischer Flüchtlinge sich entwickeln.
Westerwelle hat Recht, wenn er von der Förderung
der Demokratie und marktwirtschaftlicher
Entwicklung in den Herkunftsländern spricht, sofern
er die geglückten Versuche in Tunesien und
Ägypten mit meint. Diese haben eine wirtschaftliche
Schlüsselposition und können der internationalen
arabischen Heimat mit Sicherheit eine Heimat bieten.
Deutschland braucht neue vitale Handelspartner
und keine weiteren Straßenstrichs oder Parallelgesellschaften.
Deutschland war für die Integration bisher ein fragwürdiges Modell.
Wir müssen mit unseren bisherigen ausländischen Mitbürgern
noch weiter an unseren gemeinsamen Problemen
arbeiten, bevor wir neue Immigrationswellen
"verarbeiten" können.
Asyl in demokratischen Drittstaaten mit wirtschaftlicher Anschubunterstützung durch Deutschland und geringeren Lebenshaltungskosen
als in Deutschland wäre auch ein passables Geschäftsmodell. Hier könnte mit derselben
Geldmenge zur Betreuung von Asylbewerbern viel
wirksamer eine komplett neue Zivilisationsinfrastruktur geschaffen werden.
Aber Asyl- und Wirtschaftsflüchtlinge
dürfen auf keinen Fall gleichgestellt werden.
Schutzbedürftige müssen immer Vorrang haben.
Kriegsflüchtlinge müssen ihren Häschern
entrissen werden!
Wir können nur für eine kleine vertretbare
Minderheit einen umfassenden Rundumschutz leisten
ohne unsere eigenen Schutzbedürfnisse
zu riskieren.
Niki
Gast
Im Buch auch ein 5-seitiger Bericht über einen heute 12jährigen deutschen Jungen aus Südhessen.
"Staatliche Schulverweigerer" nannte ihn der Berichtertstatter (ein Richter).
Dem 12jährigen wurde von 2007 bis 2010 von seinem Schulamt (Rüsselsheim) unter Falschbehauptungen der Besuch der Schule verweigert.
Er durfte 3 Jahre lang keine Schule besuchen.
Frank
Gast
Gestern, und bis heute sind Staatenlenker verantwortlich für die Ursachen von Krieg und Armut.
Die Welt ist Nationen aufgeteilt. Jede Regierung beruht auf dem historischen Ereignis der Exploitation, der prinzipiellen Enteignung des Menschen von den natürlichen Reichtumsquellen dieses Planeten. Während die Anfänge durch Anwendung direkter Gewalt- und Zwangsmaßnahmen aus unabhängigen Menschen Völker machte, Ihnen bekannt als große Werke großer Denker, Erfinder der Zivilisation, erscheint dieses Recht und die somit geltende Ordnung heute als friedliche Veranstaltung. Bis heute kommt keine Herrschaft ohne Gewalt, nach innen wie nach außen, aus.
Herrschaft hat diesen Planeten in eine globale Konkurrenz um den Zugriff auf Mensch und Natur verwandelt, nach innen wie nach außen.
Jedem Kind ist die Staatsangehörigkeit als eine Selbstverständlichkeit der Existenz geläufig. Praktisch handelt sich, überlegen Sie selbst, um einen staatlichen Akt der politischen Sortierung der Menschheit. Das Resultat sind In- und Ausländer. Die Anerkennung der Durchsetzung dieses staatlichen Gewaltaktes, die Definition einer bestimmten, begrenzten Menge Mensch als Volk einer nationalen Herrschaft, gilt als Realismus.
So ist es halt... und das hat Konsequenzen. Nationalismus ist die geforderte und geförderte Basis des jeweiligen nationalen Staatswesens.
Die Konkurrenz nach innen ist durch Eigentümer und Nichteigentümer charakterisiert. Der lebenslange Zwang zur Lohnarbeit, Arbeit für andere gegen ein Geld, kommt als Angebot daher. Ohne dieses Angebot haben die so Beschenkten kein Einkommen in einer Welt in denen ihnen nichts gehört. Und das in einer Welt in der alles den Anbietern von Arbeitsplätzen gehört. Und selbstverständlich ist ein Preis zu zahlen, für die Nutzung oder Überlassung der eben noch
im Auftrag, gegen ein Geld, selbst erstellten Produkte.
Millionen, allein in Deutschland sind ohne Einkommen. Weltweit sind das Milliarden und pro Sekunde stirbt ein Kind ohne wasser und ohne Nahrung.
Gleichzeitig fliegen große Denker zum Mond, bringt Militär Ordnung und Zilisation auch nach außen in die Welt.
Flüchtlingen wird unmißverständlich klar gemacht, daß auch der Versuch sich dieser weltordnung durch Bewegung zu entziehen, zum scheitern verurteilt wird. Recht und Gesetz gelten.
Da hat eines noch gefehlt. Ausgerechnet, konsequent, eine schnelle Verurteilung. Als ob ein Ausländer die Zeit zu fürchten hätte!
Diese rechtliche "Behandlung" von Menschen ist keine Willkür, sondern die Konsequenz des rechtlich vollzogenen, aufgeherrschten Status dieser Individuen.
Die staatliche Sonderhandlung dieser Menschen gilt nicht als Rassismus oder Ausländerfeindlichkeit. Vollstreckt wird dieser indem diese Menschen einem Vergleich mit den staatlichen Anforderungen ausgesetzt werden. Asyl heißt eben nicht Hilfe für Menschen in Not, sondern umgekehrt wird die Entsprechung der Hilfesuchenden an die staatlichen Rechts-Bedingungen ermittelt.
Bis der Staat diese Prüfung seines Interesses an den Asylsuchenden abgeschlossen hat, befindet sich ein Mensch faktisch in Abschiebehaft. Deswegen werden für die Dauer dieses Verfahrens sowohl dessen Freizügigkeit, Versorgung und Arbeitserlaubnis entsprechend angepasst.
( www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Arbeitserlaubnisantrag.pdf )
Recht ist die Methode von Herrschaft, in Form der Erlaubnis formuliert mitzuteilen, was Herrschaften sich selbst an Gewaltanwendung an Menschen erlauben wollen und wie diese Menschen sich zu verhalten haben, um als national nützlich zu gelten.
Und das gilt für aus- und Inländer. Das jeweilige Maß der rechtlichen Stellung des Einzelfalls, richtet sich vollständig nach den jeweiligen, aktuellen Interessen des Staates. Mal definiert der Rechtsstaat ein Mofa als passendes Begrüßungsgeld, mal 100 Mark, oder auch die Abschiebehaft.
Die nach innen und außen organisierte Konkurrenz der in Nationalstaaten aufgeteilten Welt, kommt ohne Gewalt nicht aus. Das Recht definiert und legitimiert diese Gewaltanwendung.
Man könnte natürlich auch die politisch initiierte Konkurrenz, nach innen wie nach außen, beseitigen. Aber wer will das schon, außer den linken Spinnern...
Don
Gast
Viele der Argumente, welche Frau Jaeger von sich gibt erscheinen mir leicht wässrig.
Als erstes finde ich da schon einen graviereden Unterschied, ob man innerhalb von Deutschland "flüchtet", dazu will Sie ein lasches Asylprozedere haben, im Sinne von,jeder der kommen will,muss nur den Umweg nehmen und Asyl beantragen...super Frau Jaeger,Sie sind meine persönliche Heldin.
Lesen Sie mal zur abwechslung Texte von Wirtschaftsforschern, z.B. von H.W. Sinn,welcher anschaulich darstellt was passiert wenn tausende hier ins Sozialnetz einwandern,immerhin stehen diesen Menschen nach 5 Jahren abwarten, die vollen Rechte eines deutschen zu,Hartz4,Miete,Krankenkasse wird alles bezahlt,ein leben lang ohne je eingezahlt zu haben.Ist doch ne super sache!
Und wenn dann mal der Staat pleite geht (schaut mal auf die Schuldenuhr vom Bund der Steuerzahler in Berlin), dann können wir Deutschen uns ja für unsere Gastfreundschaft im Sudan,oder Tunesien oder sonstwo bewerben und gleiches fordern.
Na,darüber redet man ja nicht, ist auch alles ganz falsch und sowieso voll Autobahn.Da hält man besser seine Klappe,bevor man dann die gute Stimmung kaputt macht.
Ich bin jetzt auch aus NRW geflüchtet, da mir die RotGrüne Politik keine andere Wahl lies und ich als andersdenkender verfolgt wurde.
Ich sehe mich da auf einer Stufe mit den Nordafrikaner und Co.,wir Flüchtlinge müssen zusammenhalten.Peace!
BerlinaWoman
Gast
"Der Blick ist versperrt". Genau. Auf die Millionen armen Kinder und Erwahsenen im Lande nämlich.Da ist jede Menge Raum um tätig zu werden. Wieso geschieht dies nicht? Weil der 'Fremde' interessanter ist als die bedürftigen Menschen im Lande? Das hat dann aber weder was mit Mitgefühl noch sozialem Engagement zu tun.Eher mit Heuchelei.
Celsus
Gast
Welch angenehme und positive Stellungnahme der hochrangigen Richterin. Heutzutage sind wir es doch all zu oft gewohnt, dass die Äußerungen zum Thema einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Da sind doch mehr abwertende Äußerungen über Menschen in Not an der Tagesordnung.
Das Menschenbild der derzeitigen schwarz-gelben Koalition lässt sich da ja auf den einfachen Nenner bringen, dass selber Schuld ist, wem es schlecht geht. Christliche Verantwortung wird dort wahrgenommen, indem Leidenden noch einmal ein kräftiger Tritt gegeben wird. Das hat Deutschland jetzt internationale Kritik eingebracht.
Marko
Gast
Das Volk sollte per Volksentscheid zu dem Thema befragt werden, alles andere ist undemokratisch. Es darf nicht angehen das die Politiker gegen das Volk entscheiden.