: Fluchtpunkt Europa
Europas Geschichte ist auch eine Geschichte von Völkerwanderungen: Auf der Suche nach lebensfreundlicheren Umständen flohen die Neanderthaler vor der Eiszeit nach Süden, die Germanen vor den Römern nach Nordosten, die Slawen vor den Hunnen Richtung Westen. Die mittelalterlichen Menschen bewegten sich auf der Flucht vor der Pest im Kreis und später vor religiösen Anfeindungen über den Atlantik. Kriege waren Resultat und Ausgangspunkt von Völkerwanderungen. Grenzen und Mauern sollten die Wanderungen unterbieten. Doch Armeen und Stacheldraht wurden auch eingesetzt, um ganze Völker zu vertreiben. Allein in diesem Jahrhundert zogen Millionen von Menschen bereits zweimal kreuz und quer über den Kontinent: während und nach den beiden Weltkriegen.
Auch wenn in den letzten Jahrzehnten der Eindruck entstanden war, daß in Europa Völkerwanderungen der Geschichte angehören - die letzten Jahre und Monate haben das Gegenteil bewiesen. Ziel des wieder erwachten Wandertriebs: das reiche Westeuropa. Der geographische Schauplatz hat sich im Laufe der zigtausendjährigen Umzugsgeschichte kaum verändert, nur die Namen der Akteure. Trotzdem wehren sich die Alteingewanderten gegen die Neuankömmlinge, ganz so, als ob nicht das reiche Europa die Armut vor allem seiner südlichen Nachbarn mitzuverantworten hätte.
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