Fixierung auf schwarz-gelbe Koalitionen: Liberale rebellieren gegen Parteikurs
In der FDP wächst der Unmut über die Festlegung auf die Union als einzigen Koalitionspartner. Als zweite Wahl müsse ein Bündnis mit der SPD möglich sein, fordern führende Liberale.
BERLIN/ WIESBADEN dpa/ap Angesichts des Patts im hessischen Landtag nach der Wahl haben führende FDP-Politiker ihre Partei vor einer Festlegung auf eine Koalition mit der CDU auf Bundesebene gewarnt. Es sei nicht klug, bestimmte Koalitionen kategorisch auszuschließen, sagte die Bundestagsabgeordnete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Wochenende. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Rainer Brüderle sprach sich gegen einen Lagerwahlkampf aus.
Die ehemalige Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sagte der "Bild am Sonntag", zwar sollte die FDP vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr eine Priorität für Schwarz-Gelb zum Ausdruck bringen. "Aber wir sollten uns Bewegungsspielraum zu anderen Koalitionen erhalten, um eine Regierungsbeteiligung der Linken verhindern zu können." Die Liberalen hätten eine staatspolitische Verantwortung.
Brüderle sagte in der "Berliner Zeitung": "Die FDP muss sich sehr genau überlegen, ob sie eine Koalitionsaussage macht, und wenn sie eine macht, wie sie diese formuliert." Man könne mit klaren Aussagen in den Wahlkampf ziehen, ohne Alternativen kategorisch auszuschließen, wenn eine Wahl anders ausgehe als gewünscht. Dies sei im Interesse einer handlungsfähigen parlamentarischen Demokratie. Brüderle betonte: "Ich war nie Anhänger einer Lagertheorie und habe mich nie als politischer Lagerinsasse verstanden." Die Parteien müssten in der Lage sein, untereinander Brücken zu bauen.
Die stellvertretende FDP-Chefin Cornelia Pieper forderte in der "Bild am Sonntag": "Die FDP muss ihrem Programm treu bleiben. Sie sollte sich nicht an die Union ketten."
Mit Hinblick auf die Situation in Hessen hält FDP-Politiker Wolfgang Kubicki Neuwahlen für die einzig denkbare Konsequenz aus dem dortigen Wahlergebnis. Nur damit sei aus der "im Sinne der Glaubwürdigkeit unüberwindbaren Blockadesituation der Parteien herauszukommen", sagte er der "Leipziger Volkszeitung". Der FDP-Fraktionschef im schleswig-holsteinischen Landtag riet seiner Partei zugleich, Schluss zu machen "mit den blockierenden Koalitionsaussagen". "Erstes Ziel der FDP muss sein, für eine bürgerliche Mehrheit zu streiten. Zweites Ziel ist es, eine große Koalition zu verhindern. Die FDP wird auf Dauer nicht deshalb gewählt, damit große Koalitionen entstehen."
Nach der Wahl in Hessen reichen die Mehrheiten weder für Schwarz-Gelb noch Rot-Grün. Eine Große Koalition lehnt die SPD ab und will stattdessen mit FDP und Grünen regieren. Dies haben aber die hessischen Liberalen kategorisch ausgeschlossen.
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