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Filmzensur in SchwedenDonald Duck im Giftschrank

Seit 1911 gilt eine strikte Filmzensur in Schweden. Diese hätte fast auch ein Verbot von Parabolantennen zur Folge gehabt. Jetzt soll die zuständige Behörde abgeschafft werden

Auch Charly Chaplin war den Schweden zu subversiv. Bild: ap

STOCKHOLM taz | Er gilt als Meisterwerk der Filmgeschichte. Doch in Schweden kam Sergej Eisensteins "Panzerkreuzer Potemkin" erst mit dreißigjähriger Verspätung in die Kinos. Die staatliche Filmzensurbehörde verhängte 1926 ein Totalverbot: Ein Aufruhr gegen die herrschende Klasse - da könnten die schwedischen ArbeiterInnen ja auf dumme Gedanken kommen.

Schweden ist stolz darauf, das älteste Gesetz zum Schutz der Pressefreiheit mit Wurzeln aus dem Jahre 1766 zu haben. Doch Schweden hat gleichzeitig auch die weltweit älteste Filmzensur. Die Bilder hatten gerade erst laufen gelernt, da befürchtete man bereits, sie könnten schädlich für die Moral des Volkes sein. Kirchen und Kulturdebatteure entfachten Anfang des letzten Jahrhunderts eine Panikdebatte: Sünde, Kriminalität und allgemeiner moralischer Verfall drohten vor allem den "ungebildeten Schichten" von diesem neuen Medium.

Nach der "nationalen Kinoverordnung" vom 1. November 1911 mussten alle Filme vor ihrer Aufführung dem "Kinoamt" (Biografbyrå) vorgelegt werden. Das sollte stoppen, was "verrohend" und "aufhetzend" sein könnte. So gelangten jahrelang keine Szenen auf die Leinwand, bei denen ein Polizist als Vertreter der Obrigkeit in ungünstigem Licht oder gar lächerlicher Pose gezeigt wurde.

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"Rücksichtnahme auf ausländische Staaten" kam mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs als weiteres Zensurkriterium dazu. Und sollte sich zum unrühmlichsten Kapitel dieser Zensurbehörde entwickeln. Mit Deutschland und einem Adolf Hitler wollte man sich nicht anlegen. Charlie Chaplins "Großer Diktator" stand deshalb bis 1945 auf dem Index. Walt Disneys Donald-Duck-Film "The Fuehrers Face" kam ebenfalls in den Giftschrank.

Nach dem Zweiten Weltkrieg galt es dann die SchwedInnen vor zu viel Gewalt und Sex zu schützen. Im angeblich so "sündigen" Schweden wurde Vilgot Sjömans "491" zunächst ganz verboten und kam dann nur in beschnittener Form ins Kino: "Kritische" Dialoge und Geräusche wurden von lauter Musik übertönt. Hitchcocks klassische Duschszene in "Psycho" wurde trotz eines persönlichen Besuchs des Meisters im "Biografbyrå" nicht abgenommen.

Selbst vor Astrid Lindgren machte man nicht Halt. Unter dem Gesichtspunkt der Zahngesundheit sei Pippi Langstrumpfs häufiger Verzehr von Bonbons äußerst problematisch, meldete eine Zensorin Bedenken gegen die bekannten Olle-Hellbom-Verfilmungen an. Das Aufkommen von Videokassetten und Videotheken, auf die man die Zensur inkonsequenterweise nicht erstreckte, führte zu einer ernsten Legitimationskrise für die Filmzensur.

Und beinahe musste diese dazu herhalten, auch ein Verbot von Parabolantennen zu rechtfertigen. Die Vereinigung sozialdemokratischer Kulturarbeiter forderte noch Anfang der 80er-Jahre ein Verbot "unerwünschter Technik". Schweden müsse sich abschotten und dürfe nicht in den Sog der "deutsch-europäischen Kultur" mit "geringeren Qualitätsansprüchen" geraten.

Aber seit Ende der 70er-Jahre häuften sich Stimmen, die die Filmzensur abschaffen wollten. Die konnte noch 1989 als stolze Jahresbilanz vermelden: 24 Filme Totalverbot, 64 beschnitten. 1996 wurde zum letzten Mal in einem Spielfilm geschnitten. Einige "unnötig grausame" Minuten in Martin Scorseses "Casino". Danach fielen nur noch Gewaltpornos durchs Raster. Das Abschlaffen der Zensur machte die PolitikerInnen zunächst misstrauisch. Offenbar würden die Zensoren abstumpfen und müssten öfters ausgewechselt werden, meinte Kultusministerin Marita Ulvskog im Mai 2000.

Zwei Jahre zuvor hatte ihre Vorgängerin Margot Wallström, spätere EU-Kommissarin, noch gehofft, die Filmzensur könne auch zu Internet-Zeiten eine "normsetzende Rolle" spielen. Gerade angesichts dieser sich unkontrolliert öffnenden Schleusen sei die Aufhebung der Zensur ein "falsches Signal". Doch dann mochten die Zensoren selbst nicht mehr. 2006 forderten sie, ihre Institution aufzulösen.

Mit Verzögerung hat die Regierung am Donnerstag vergangener Woche darauf reagiert. Noch vor der Sommerpause soll dem Parlament ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt werden. Wenn die schwedische Filmzensur eines bewiesen habe, dann dass alle Zensur letztendlich wirkungslos und rückblickend nur peinlich ist, zog die Stockholmer Tageszeitung Dagens Nyheter Bilanz. In seiner 99-jährigen Geschichte habe das Biografbyrå keinen einzigen Zensureingriff beschlossen, der im Nachhinein sinnvoll und vernünftig erscheine.

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