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■ Filmstarts á la carte„Denver-Clan“ im Mittelalter

Kaum eine andere Geschichte erschwert es dem Rezipienten derart, sich mit seinen Hauptfiguren zu identifizieren, wie die berühmte deutsche Heldensage „Die Nibelungen“. In der morbiden Familien-Story wird aus Treue, Liebe oder Rache betrogen und gemordet, daß es einem nur so graust. Seltsamerweise war mir immer der finstere Hagen von Tronje am liebsten, jener Mann also, der erst den tumben Siegfried ermordet und später auch noch Kriemhilds kleines Söhnchen köpft. Fritz Lang, der bedeutendste Trivialfilmer deutscher Sprache mit einer Obsession für Rachegeschichten, inszenierte diesen „Denver-Clan“ des mittelalterlichen Burgund 1924 als Stummfilm. Besonderen Wert legte der ehemalige Architekturstudent Lang dabei auf die Dekors: Während die Burgunderkönige steif durch die lichten, hohen Hallen ihrer mächtigen Burg wandeln und strenge Symmetrie das Bild beherrscht, hausen die wieselflinken Hunnen in einem Durcheinander von Erdbauten und Höhlen. Das Babylon-Mitte zeigt am 8.9. den zweiten Teil des filmischen Epos, in dem Kriemhild den mächtigen Hunnenkönig Etzel heiratet, um später ihre Verwandten aus Rache für Siegfrieds Ermordung niedermetzeln zu lassen. „The old story of hate, murder and revenge“, wie es in „Rancho Notorious“, einem anderen wunderbaren Film Langs heißt.

Von Tumulten begleitet wurde die Aufführung von „L'Age d'Or“ (Das goldene Zeitalter) des spanischen Surrealisten und Fritz Lang-Verehrers Luis Bunel im Jahr 1930. Rechtsradikale machten derart gegen den Film mobil, daß er zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung für die nächsten 50 Jahre verboten wurde. Bunels Attacke gegen die bürgerliche Moral und ihre Institutionen mag heute einiges ihrer provokativen Kraft eingebüßt haben, geblieben ist jedoch ein amüsantes Dokument über Denkweise und Vorlieben der Surrealisten: Da gibt es zum Beispiel einen Vertreter des nationalen Wohltätigkeitskomitees, der, anstatt Frauen und Kinder zu retten, lieber einer „Amour fou“ frönt und einem Blinden in den Bauch tritt. Daß irgendwo verrottende Bischöfe herumliegen, eine Kuh im Bett steht oder eine Kutsche durch den Salon fährt, sollte man wie selbstverständlich akzeptieren. Höhepunkt am Schluß ist eine Hommage an den Marquis de Sade und die „120 Tage vor Sodom“: Der Duc des Blangis – perfiderweise von einem Schauspieler portraitiert, der auf die Darstellung von Christus-Rollen spezialisiert war – ermordet noch schnell die letzte Überlebende seiner wüsten Orgien und verläßt mit seinen Kumpanen das Schloß.

Ziemlich handfest geht es auch in „Total Recall“ zu, einem der besten Filme jener muskelbepackten Ikone der Populärkultur, die unter dem Namen Arnold Schwarzenegger firmiert. Sharon Stone beweist auch in dieser Produktion, daß sie spitze Gegenstände gut zu handhaben versteht, und Arnold darf ballern wie gewohnt. „Manipuliere nicht mit deinem Hirn herum, das ist es nicht wert“, sagt einmal einer der Arbeitskollegen zu Arnie. Irgendwie scheint der Mann dabei süffisant zu grinsen. Wie das wohl gemeint ist?Lars Penning

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