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■ Filmstarts á la carteSchaffenskrise in Popelgrün

Die Situation kennt jeder Journalist: Deprimiert und bar jedes guten Einfalls starrt man auf ein weißes Blatt Papier – und geradezu höhnisch scheint es zurückzublicken. Schreibblockade.

Wieviel schlimmer muß dieses unangenehme Phänomen da erst jene sensiblen Menschen treffen, die sich in einem verzweifelten Ringen um das Schaffen wahrhaft kreativer Dinge befinden. Etwa einem Drehbuch für einen Catcherfilm mit Wallace Beery.

Mit der Ausführung dieser ehrenvollen Aufgabe sieht sich Anfang der vierziger Jahre nämlich der Autor „Barton Fink“ beauftragt, den uns Joel und Ethan Coen in ihrem gleichnamigen Film vorstellen. Leider versteht Fink (John Turturro) weder etwas vom Kino noch vom Catchen. Und daß er einst als Bühnenautor am Broadway mit einem Stück über das Leben von Fischhändlern reüssierte, hilft ihm ebensowenig weiter wie die tröstende Versicherung seines Produzenten, er brauche sowieso bloß etwas Drittklassiges zu verfassen. Lakonisch erzählen die Coens vom alltäglichen Horror eines Mannes, von dem langsam die Panik Besitz ergreift. Dabei spielt die Atmosphäre eine wichtigere Rolle als die Action: Schon bald weist Finks Gesichtsfarbe nämlich dieselbe ungesunde Farbe auf wie die popelgrünen Tapeten seines schäbigen Hotelzimmers, die sich mitsamt ihres schleimigen Kleisters langsam von den Wänden schälen. Im Gegensatz dazu steht die betont helle Welt des vom einem Louis-B.-Mayer-Verschnitt geleiteten Filmstudios, in der Fink stets ein Fremdkörper bleibt.

Die Analyse des Studiosystems in Hollywood ist so scharf und treffend, daß man sich trotz der vorhandenen Überspitzungen scheut von Satire zu sprechen: Da werden Schriftsteller ob ihrer Erfolge und ihres individuellen Stils („Der Barton-Fink- Touch“) eingekauft – nur um sie dann bei der Arbeit an Serienprodukten zu verheizen. Vor allem aber findet jeder Produzent stets eine Möglichkeit, Verantwortung – und damit auch den möglichen Mißerfolg – an Untergebene zu delegieren. Möglichst nicht auffallen und wöchentlich den Gehaltsscheck abholen – so lautet das Motto im Hollywood der Coen-Brüder. Fink hat jedoch schon bald noch ganz andere Probleme: Eine Frauenleiche liegt in seinem Bett, und der nette Zimmernachbar erweist sich als psychopathischer Serienmörder. Allerdings geht dem Autor die Arbeit am Drehbuch plötzlich so verdächtig flott von der Hand, daß man sich fragen muß: Was ist hier eigentlich noch Realität und was ist Phantasie?

Im Künstlermilieu spielt auch Alfred Hitchcocks „Stage Fright“: Der Gatte einer berühmten Schauspielerin (Marlene Dietrich) ist ermordet worden, und die Schauspielschülerin Eve (Jane Wyman) nimmt die Rolle ihrer Zofe ein, um als Amateurdetektivin die Unschuld ihres tatverdächtigen Freundes zu beweisen.

Kein Meisterwerk des berühmten Thriller-Regisseurs, aber doch eine interessante Variante der Geschichte vom „unschuldig Verfolgten“ (der sich hier als gar nicht so unschuldig erweist) – vor allem aber ein Film über das Theater. Mehr noch als auf der Bühne verstellen sich die Figuren hier vor allem im Leben, bis der ständige Rollenwechsel der naiven Eve fast zum Verhängnis wird.

Lars Penning

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