■ Filmstarts a la carte: Der stilbildende Einfluß von Tee
Die amüsanteste Persiflage auf das Genre der Musikdokumentationen schufen zweifellos Ex-Monty Python Eric Idle und sein Co- Regisseur Gary Weis mit ihrem Film über die Phantomband The Rutles. Liebevoll aber gnadenlos wird in All You Need Is Cash die Karriere der Beatles parodiert: von den Anfängen im Hamburger Rat Keller, über den Einfluß von Tee auf die psychedelischen Meisterwerke Sgt. Rutter's Only Darts Club Band und Tragical History Tour, bis zum Auseinanderbrechen der Band nach dem finalen Album Let It Rot. Beeindruckend ist vor allem die Genauigkeit, mit der Idle und Weis Ausschnitte aus Wochenschauen, Fernsehauftritten und Spielfilmen nachstellen – inklusive verwaschener Farben und verblichenem Schwarzweiß. Dazu gibt es Fake-Interviews mit Zeitzeugen wie Mick Jagger und Paul Simon, Gastauftritte von John Belushi, Bianca Jagger und George Harrison, sowie einen brillianten Soundtrack von Neil Innes, der die Rutles- Songs stets haarscharf an den Beatles-Originalen vorbeikomponierte.
The Rutles – All You Need Is Cash (OF) 11.3.-17.3. im Central 2
Mit den Musikern aus Liverpool hatte sich einst auch Ian Softley beschäftigt und in Backbeat vom tragischen Leben des fünften Beatles Stuart Sutcliffe berichtet. Mit seinem bislang letzten Film wechselte der britische Regisseur allerdings radikal das Genre: Die Flügel der Taube entführt uns in die Welt des Schriftstellers Henry James. Softley entwirft das Porträt einer dekadenten, dem Untergang geweihten Klassengesellschaft: Zynisch und selbstmitleidig kommentieren die Protagonisten der High Society die Rituale der schicken Parties, wo romantische Gefühle erst gar nicht aufkommen – oder erfolgversprechend manipuliert werden. Erzählt wird die Geschichte zweier Frauen im Konflikt zwischen vordergründiger Anpassung und der Eroberung neuer Freiräume:
Die mittellose und von der reichen Tante zur Verheiratung freigegebene Kate (Helena Bonham Carter) liebt heimlich den armen Journalisten Merton und hält doch die Fassade der gehorsamen Nichte aufrecht. Millie (Alison Elliott), die amerikanische Millionenerbin mit der sich Kate alsbald anfreundet, braucht sich hingegen aufgrund ihrer finanziellen Unabhängigkeit um Konventionen weit weniger zu kümmern. Die Sequenzen, in denen die Frauen gemeinsam durch London ziehen und dabei sehr zur bigotten Empörung der Männer immer wieder kleine Tabus brechen, gehören zu den schönsten des Films: So betrachten sie im Buchladen kichernd die dirty books oder besuchen eine Ausstellung mit den erotischen Gemälden Gustav Klimts.
Doch Millie ist unheilbar krank – was Kate auf eine unheilvolle Idee bringt: In der Hoffnung auf das Millionenerbe treibt sie Merton bei einer gemeinsamen Reise nach Venedig in die Arme Millies, die von der Beziehung der Liebenden noch gar nichts weiß. Viel Zeit nimmt sich Softley für seine Figuren, deren Beweggründe nie moralisierend verurteilt werden – und für die Schauplätze. Dann allerdings hängt eine bleierne Melancholie in der Luft, und die schönen Bilder von Venedig im Regen drohen ins Dekorative zu kippen.
Die Flügel der Taube 16.3. im City Wedding
Das Checkpoint hat seine Retrospektive mit Filmen von Francois Truffaut noch um zwei Werke erweitert: Bei Tisch und Bett handelt es sich um den dritten Beitrag zum Doinel-Zyklus, und Das grüne Zimmer erzählt – ebenfalls nach Motiven von Henry James – von einem Mann (gespielt vom Regisseur), der sich ganz dem Totenkult um seine verstorbenen Frau widmet.
Das grüne Zimmer 12.3.- 17.3.; Tisch und Bett 13.- 14.3., 17.3. im Checkpoint
Lars Penning
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