■ Filmstarts a la carte: Pessimismus in Stahlgrau
Alle Menschen sind Verbrecher, jeder ist schuldigô, lässt Jean-Pierre Melville einen etwas paranoiden Polizeichef in „Vier im roten Kreis“ sagen. Und am Ende scheint es dann fast, als ob er Recht behalten hätte. Die Austauschbarkeit von Polizisten und Verbrechern war eines der großen Motive in den irrealen Gangsterfilmen Melvilles: Da spitzeln die Ganoven für die Polizei, die Kommissare drohen und erpressen, Gefängniswärter geben Tips für erfolgreiche Coups, und ein ehemaliger Polizeischarfschütze betätigt sich als Einbrecher. Selbst die „Uniformen“ sind auf beiden Seiten die gleichen: helle Regenmäntel und Borsalino-Hüte. Da verwundert es dann auch nicht, dass es sich bei den Herren, die gleich zu Beginn in wilder Fahrt bei rotem Ampellicht über die Kreuzung rasen und beinahe einen Unfall provozieren, keineswegs um Verbrecher auf der Flucht handelt, sondern um Polizisten, die mit einem Gefangenen unbedingt einen Zug erreichen wollen. So beginnt die Story eines Kommissars und dreier Gangster, die sich – weniger logisch erklärbar, als vielmehr fatalistisch – unausweichlich aufeinander zu bewegen. Ein pessimistischer Film mit einer Farbgebung zwischen stahlgrau-blau und schimmelgrün, so kalt und unerbittlich wie der Winter, in dem sich die Geschichte zuträgt.
„Vier im roten Kreis“ 31.10.- 1.11. im Filmkunsthaus Babylon
Schon ihre ersten Filmen zu Beginn der dreißiger Jahre ließen erkennen, daß die Rolle der selbstbewußten, stets ein wenig quer- und dickköpfigen Frau die Domäne der Katharine Hepburn sein würde. Einen – nicht nur, was die Dickköpfigkeit angeht – adäquaten Partner fand sie in Spencer Tracy, mit dem sie auch in George Cukors „Adam's Rib“ aneinandergerät: Als eigentlich glücklich verheiratetes Paar stehen sich die beiden plötzlich als gegnerische Anwälte in einem Prozeß gegenüber, der um den Mordversuch einer Blondine (Judy Holliday) an ihrem untreuen Ehemann geführt wird. Klischees und Vorurteile prallen aufeinander, und schon bald wird nicht nur im Gerichtssaal gekämpft: Der „Ehekrieg“ und eine höchst amüsante Auseinandersetzung mit herkömmlichen Geschlechterrollen ist vorprogammiert.
„Adam's Rib“ (Ehekrieg) (OF) 30.10. im Arsenal
Experimentalfilme erfreuen sich abseits ausgewiesener Liebhaberkreise selten allzu großer Beliebtheit. Schließlich muß der Zuschauer die Bereitschaft mitbringen, seine bequeme Konsumhaltung einmal für kurze Zeit aufzugeben und selbst ein wenig mitzudenken. Und weil die Scheu vor dem Unkonventionellen noch immer groß ist, ist auch der Spanier José Val del Omar bei uns ein Unbekannter geblieben. Val del Omar, unter anderem der Erfinder des diaphonischen Tonsystems, schuf seit den fünfziger Jahren drei – heute im „Triptico elemental de España“ zusammengefasste – avantgardistische Kurzfilme, in denen er verschiedene Regionen seiner spanischen Heimat vorstellt und ihnen dabei die Elemente Wasser, Feuer und Erde zuordnet. Genaueres lässt sich am kommenden Dienstag im Filmkunsthaus Babylon erkunden: mit dem von Gonzalo Sáenz de Buruaga vorgestellten „Triptico“, und der Dokumentation „Ojalá Val del Omar“ von Cristina Esteban.
„Triptico elemental de España“ (Om Üb)- 3 Kurzfilme von José Val del Omar mit einer Einführung von Gonzalo Sáenz de Buruaga; „Ojalá Val del Omar“ (Om engl U) 2.11. im Filmkunsthaus Babylon
Lars Penning
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