piwik no script img

Filmstarts á la carteSchwedische Hochstapeleien

Zweifellos gibt es in der Wahrnehmung des Kinos der Stummfilmära ein Problem. Der zeitliche Abstand, die vielen für immer verloren gegangenen Werke, und der verständliche Versuch der finanziell unzureichend ausgestatteten Kinematheken, zuerst die Klassiker zu retten - all dies hat zu einer kaum zu korrigierenden Verengung des Blicks auf die großen Meisterwerke der Epoche geführt.

Tatsächlich aber stellte sich die Situation in den 20er Jahren nicht anders dar als heute: Der größte Teil der Produktion bestand aus mehr oder minder anspruchsvoller Alltagskost - Abenteuerserials, Lustspiele mit populären Stars, Sensationsfilme. Dass auch das schwedische Kino keine Ausnahme machte, lässt sich jetzt in einer Reihe im Arsenal-Kino nachvollziehen, die vor allem schwedisch-deutschen Filmbeziehungen nachspürt. Zu sehen sind also einmal nicht die Klassiker von Sjöström und Stiller, sondern eher unbekannte Filme mit der auch in Berlin überaus populären schwedischen Schauspielerin Mary Johnson oder Koproduktionen mit deutschen Stars wie Willy Fritsch. Da sollte es dann auch nicht verwundern, wenn schwedische Filme plötzlich in Ungarn spielen: In Ragnar Hyltén-Cavallius überaus charmanter Komödie „Flickorna Gyurkovics“ (Die sieben Töchter der Frau Gyurkovics, 1926) verkörpert Fritsch den unverbesserlichen Weiberhelden Graf Horkay, der, angelockt von einem Foto der sieben Cousinen seines Freundes Toni, an dessen Stelle zu einem Besuch in die Provinz reist. Unterwegs trifft er - ohne sie zu erkennen - die lebenslustige, und gerade aus dem Internat ausgebüxte Gyurkovics-Tochter Mizzi (Betty Balfour), die sich, um Horkay zu veralbern, als Comtesse ausgibt. Das bringt ihr reichlich absurden Ärger mit der Verwandtschaft der echten Gräfin ein und führt zu immer abstruseren Hochstapeleien, Verwechslungen und Verkleidungen. Von Carl Hoffmann (“Dr. Mabuse“, „Die Nibelungen“) stimmungsvoll fotografiert und von den beteiligten Schauspielern mit Augenzwinkern und erkennbarer Lust am Herumalbern präsentiert, zeigt “Flickorna Gyurcovics“ aufs Schönste, was man manchmal schon gar nicht mehr glauben möchte - dass alltägliches Unterhaltungskino nämlich nicht unbedingt anspruchslos sein muss.

“Die sieben Töchter der Frau Gyurkovics“ (Flickorna Gyurkovics) (OmÜb) 25.3. im Arsenal 1; Schweden-Reihe bis 31.3.

Finster entschlossen am Cigarillo-Stummel kauend, sorgt sich Clint Eastwood um die Situation des Schreinerhandwerks und vergibt seine Aufträge im Vorübergehen: „Mach drei Särge fertig“. Da ist kein Wort zuviel gesagt: Mit „Für eine Handvoll Dollar“ schuf Sergio Leone 1964 im Alleingang den Italo-Western und befreite mit seinem Remake von Kurosawas Samurai-Klassiker „Yojimbo“ den Western radikal von der Last der Mythen. Pioniergeist und Fairness blieben auf der Strecke, ersetzt von Geldgier und blankem Zynismus. Hier muss sich niemand wundern, wenn der Schurke grinsend ein Massaker mit dem Maschinengewehr anrichtet und der Held wenig später ein makabres Schauspiel mit den Leichen inszeniert. Für Eastwood sollte sich die Rolle des Revolverhelden, der sich meistbietend verkauft, auszahlen: „Für eine Handvoll Dollar“ katapultierte den Ex-Seriendarsteller - zumindest in Europa - in den Rang eines Superstars.

“Für eine Handvoll Dollar“ 28.3. im Arsenal 2

Solides Action-Kino bietet Regisseur John Singleton mit seiner Neuauflage von „Shaft“. Die Schauplätze wechseln in schneller Folge, Schießereien en masse und Autoverfolgungsjagd inklusive. Aber daran, dass das Original einst einen wichtigen Schritt in der Darstellung afroamerikanischer Helden im US-Kino bedeutete, erinnert hier nichts mehr. Doch ein schwarzer Filmheld, der eher Analogien zu Dirty Harry aufweist, kann auch als Zeichen der Normalität betrachtet werden.

“Shaft“ 22.3.-28.3. im Sojus 2

Lars Penning

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen