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■ Filmstarts à la carteVierzehn Filme für Manfred Salzgeber

Zu den wenigen Kollegen, bei denen Verlaß darauf ist, daß sie niemals einen Satz schreiben werden wie : „...xy hat einen ruhigen, einen nachdenklichen Film gemacht“, oder „dieser Film bricht mit tradierten Sehgewohnheiten“ gehört Georg Seeßlen, der, wie man hört, mit einer beträchtlichen Anzahl Kinder im Bayerischen bei München lebt und dort recht glücklich und vor allem so ungeheuer erschreckend produktiv ist, daß er alle naslang genialische Bücher, Artikel, Essays in jeder Länge ausspeit und in die Erdumlaufbahn schickt. Jener Seeßlen also wird im Rahmen der Reihe Ausländer in Deutschland – Deutsche im Ausland im Eiszeit aus seinem neuesten Produkt vorlesen, welches Faschismus und populäre Kultur heißt und mit dem neuen Theweleit zusammen wohl ein hübsches Sümmchen ergibt. Von Seeßlen stammt der Satz: „Meine Sehgewohnheit gehört mir.“

Wenn Kittler und Theweleit recht haben und es wirklich möglich ist, daß Platten etwas aufnehmen, nicht nur abspielen, und wenn das auch für Filme gilt, dann geht vielleicht die Rechnung der Edition Salzgeber auf, Manfred könnte irgendwie präsent sein, wenn man die Filme zeigt, die er liebte. Vier Kinos haben sich entschlossen, ihre ursprünglich geplanten Programmplätze leerzuräumen und heute den ganzen Abend in memoriam zu verbringen. Auf diese Art und Weise kommt es, daß man die Filme plötzlich als Teil einer einzelnen großen Erzählung, einer schwulen master narrative zu lesen anfängt. Dann wäre Gus Van Sants Mala Noche die frühe Jugendzeit der Erzählung, die Umwidmung von Thomas Manns „Tod in Venedig“ in das Immigranten-Milieu in Oregon. Ein Schwuler aus Portland verliebt sich in hübsche puertorikanische Strichjungen, die ihn ausnehmen werden. Schlaflosigkeit, leises Flüstern und Schleichen und ein Hauch von Hoffnung – „Mala Noche“ ist das Roheste und Ungekämmteste, was Gus Van Sant bisher gemacht hat.

Buddies würde auch noch in diese Zeit gehören; er war die erste, noch atemlose Reaktion auf diese neue Krankheit, die niemand kannte (entstanden im Sommer 1985) und die inzwischen längst eine ganz eigene Ikonographie hinter sich herzieht. „Buddies“ hießen die ersten jungen Freiwilligen der Aidshilfen, die in Krankenhäuser und Wohnungen gingen, um die Infizierten zu betreuen, denen Freunde nicht mehr helfen konnten oder wollten. Der Regisseur selbst, Arthur J. Bressan, der neben Dokfilmen, katholischer Filmarbeit und Hardcore All-Male-Sachen gemacht hatte, ist selbst zwei Jahre später an Aids gestorben. Manfred Salzgeber hat um die Rechte für diesen Film lange gekämpft; er ist noch immer über die Edition zu beziehen (wie alle der gezeigten Filme übrigens).

Selten kommt man auf die Idee, daß Tom of Finland in seiner wahnwitzigen Geschlossenheit und Perfektion auch ein Element von Querelle-hafter Utopie darstellt, eine hermetische Kunstkolonie, in der Wille und Welt zusammenfallen. Die kapitalen Schwänze, die in den Lederhosen dieser Biker, Bullen, Sheriffs und so weiter pochen und klopfen, sind zunächst schlicht, was sie sind, aber auch das Katapult ins Himmelreich. Komischerweise funktioniert alles auch für die Hetera. Die sich allerdings auch von der Jungfrauenmaschine Monika Treuts ins Off beamen lassen kann.

Im Arsenal werden zum einen fünf Filme von Jonas Mekas, dem Fluxus-Mann aus Litauen-New York gezeigt, zum anderen ein Querschnitt durch das Werk des indischen Regisseurs Satyajit Ray, speziell die „Apu-Trilogie“.mn

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