■ Filmstarts à la carte: Man ist, was man ißt
Wer kennt sie nicht, jene Zwei- Meter-Riesen mit hochtoupierten Haaren und Zylinderhut, die im Kino immer den Platz direkt vor einem okkupieren. Kaum daß die Vorstellung angefangen hat, beginnt der Terror erst richtig: Mit Fressalien bewaffnet, deren Verpackungen einzig zu dem Zweck entworfen wurden, beim Öffnen möglichst viel Lärm zu machen, feiern diese Zeitgenossen alsbald eine Schmatz-und- Knister-Orgie, deren Störfaktor nur noch von der ebenfalls unweigerlich einsetzenden, lautstark geflüsterten Unterhaltung übertroffen wird.
Da mögen auf der Leinwand Atombomben explodieren oder Atombusen die Blusen sprengen – diese Sadisten sind durch nichts zu erschüttern. Auf Anhieb sympathisch war mir deshalb der Film Tampopo des japanischen Autors und Regisseurs Juzo Itami. Bereits in der ersten Szene wird ein ignoranter Chipstütenraschler ordentlich zusammengestaucht: „Wenn du weiter solchen Krach machst, murkse ich dich ab!“
Nicht nur das Geräusch krachender Chips vermag hier keinen Anklang zu finden, generell beweifelt wird auch der Geschmack der frittierten Kartoffelscheiben. Deshalb beschäftigt sich „Tampopo“ auch lieber mit der Frage, wie man Nudelsuppe korrekt zubereitet. Ein derartiges Sujet ließe vielleicht eher einen traditionellen japanischen Film erwarten, doch Itami erzählt seine Geschichte im Stile des westlichsten aller Filmgenres: Ein einsamer Fremder (der seinen breitkrempigen Hut nicht einmal in der Badewanne abnimmt) kommt in die Stadt und hilft der Besitzerin einer heruntergekommenen Imbißbude, die beste Nudelsuppenköchin Japans zu werden, ehe er wortlos wieder verschwindet. Garniert ist der amüsante Nudelwestern mit einer Reihe von Randepisoden eher makabrer Provenienz, die das Thema Nahrung unter Aspekten wie Erotik, Schmerz und Tod betrachten.
Gibt uns „Tampopo“ einen Einblick in das Wirken japanischer Schnellrestaurantköchinnen, so steht in Eat Drink Man Woman des taiwanischen Regisseurs Ang Lee die traditionelle chinesische Kochkunst im Mittelpunkt. Die Gerichte sehen dann auch derart gut und opulent aus, daß man sich kaum wundert, als einer der Protagonisten an Verstopfung stirbt. Ang Lee zeigt den Eßtisch als Ort der Kommunikation: Zwar würden sich die drei Töchter des alten Kochs der Pflicht, jeden Sonntagabend zum Essen erscheinen zu müssen, gelegentlich gern entziehen, doch nur allzu schnell wird deutlich, daß sie ohnehin alle zu wenig miteinander reden.
Und so wartet jeden Sonntag jemand anderes mit irgendwelchen gutgehüteten Geheimnissen auf, die der Geschichte immer wieder überraschende Wendungen verleihen, was der Film mit ausgesprochen lakonischem Witz zu erzählen weiß.
Beim Zauberer von Oz gibt es gerade einmal ein paar lausige Äpfel zu essen, und dabei hatte Judy Garland in Victor Flemings Musical doch all ihre Hoffnung auf das zauberhafte „Somewhere over the rainbow“ gesetzt. Angesichts der miesen Verpflegung will sie jedoch lieber wieder heim nach Kansas. Und auch wenn sie dabei einiger bunter Technicolor- Träume verlustig geht, am Ende bestätigt sich eben die alte Binsenweisheit: Zu Hause ist es doch am schönsten. Vor allem, wenn man nicht selbst kochen muß.Lars Penning
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