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■ Filmstarts à la carteKleiner Mann ohne Eigenschaften

„Adolf Hitler: He's toasted“: Die ängstlich-pädagogische Absage der Ausstellung von Hitler- Porträts des Leibfotografen Hoffmann pariert das wackere Eiszeit- Kino nun unter oben stehendem Motto mit Hitler-Filmen satt. Den Auftakt macht, erfreulicherweise, Frühling für Hitler, womit eine angenehm forsche und pietätlose Gesamtnote vorgegeben ist: Zwei schlemihleske, jiddelnde Produzenten aus New York, die nichts mehr auf der Tasche haben, gedenken, ihre Gläubiger mit einem 100-Pro-Reinfall zu besänftigen. Sie suchen die ultimative Geschmacklosigkeit. Ein Musical mit dem aparten Titel „Springtime for Hitler“ sagt alles, was man noch nie über Nazi-Kitsch wissen wollte, und noch mehr; es ist fast, als habe der Regisseur Mel Brooks nicht nur Syberberg, sondern auch dessen Scheitern schon 1968 geahnt. Hitler und Eva Braun sind hier ein zartes, auf dicken Sohlen tänzelndes Turtelpaar, umgeben von flötenden SS- lern und Gogo-Girls frisch aus dem BdM. Die Sache wird, sehr zum Ärger der Produzenten, ein voller Erfolg, das Publikum findet's knorke, und der Saal tobt vor Begeisterung.

Etliche Jahre früher drehte, durchaus kongenial, Charlie Chaplin den „Großen Diktator“ – auf Jahre der einzige amerikanische Film, der Hitler einem explizit jüdischen Milieu gegenüberstellen, und der vor allem über Hitler lachen lassen würde.

In diese Reihe gehört – neben den beiden Versionen von Sein oder Nichtsein natürlich auch Zelig, Woody Allens Chamäleonade, in der ein schwächlicher kleiner Mann ohne jede Eigenschaft sich eifrig seiner Umgebung anpaßt: In Deutschland wird er prompt hinter salutierenden SS-Schergen ausgemacht; seine jüdische Herkunft taucht nur flüchtig wieder auf, als er neben einem grollenden Rabbi zu stehen kommt.

Ein ganz anderes Genre widmet sich den letzten Stunden im Führerbunker. Klar, daß diese Stunden astreines dramatisches Material abgeben; wer hätte nicht schon einmal überlegt, was zum Henker der Führer damals noch so tat und dachte. Es liegt irgendwie nahe, daß diese Stunden auch Material für einen schwulen Film abgeben: die Nähe, die Treue, Männer in letzter Minute ... Aus diesem Stoff ist zum Beispiel Uli LommelsHitler und Marlene mit Margit Carstensen in voller Schönheit und ihrer Eigenschaft als Frau, die auch als Transvestit durchgehen könnte. Auch Blondie ist dabei. Fassbinder als Göring lümmelt ebenso in der Ecke herum, wie Kurt Raab als Hitler wettert und schwärmt. Küßt euch! möchte man rufen, doch es kommt nicht dazu, es kommt nur zu einem tiefen „Ich haaaaab, vielleiiiiicht, noch nie, geliiiiiebt“ aus der kehligen Raucherkehle von Marlene/Margit.

Hierzulande recht unbekannt ist The Bunker, der sich ebenfalls genüßlich diesen letzten Stunden widmet, doch geht es mehr um eine Art Charakterstudie. Anthony Hopkins macht den Hitler, und das gar nicht mal schlecht.

Was Kennedy für die junge weiße heterosexuelle Mittelschicht, war Harvey Milk für die Schwulen der Westküste. The Life and Times of Harvey Milk ist ein Porträt des ersten offen schwulen Bürgermeisters von San Francisco, der nach kurzer, euphorischer Amtszeit von einem politischen Konkurrenten erschossen wurde. Der Film weist ihn vor allem als jemanden aus, der auch ein Herz für Normales hatte (und fällt damit dem eigenen Anliegen ein bißchen in den Rücken). Jedenfalls wird er in einem riesigen Lichtermeer, das von der Castro bis zur Market Street reichte. mn

Überregional anlaufende Filme werden auf den Kulturseiten der Donnerstagsausgabe besprochen

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