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■ Filmstarts à la carteHänse im Glück

Die Mauer geht auf. Prinz Messerschmitt Willi Busch (Thilo Prückner) wird von einer Außerirdischen wach geküßt, seiner Tochter von drüben, die aus dem sozialistischen Paradies Burgstadt in den westlichen Himmel Friedheim gefallen ist. Von da an erzählt Niklaus Schillings Deutschfieber, als hätten sich die Brüder Grimm mit Cyberpunks zusammengetan.

Der deutsch-deutsche Vereinigungswahnsinn, gesehen von Niklaus Schilling, der Campe unter den Regisseuren seiner Generation, setzt hier den Willi-Busch- Report von 1980 fort. Geht das überhaupt? Feen, Hänse im Glück, männliche Pechmarien und unbesiegbare Brüder kreuzen auf, wandeln sich im Hexenkessel im Herzen Deutschlands zu neurotischen Bürgermeistern, Werbeexperten, Medienvertretern und Kauf-mich-Bossen. Die märchensammelnden Brüder (Schilling und Koautor Roehler) halluzinieren: Im grenznahen Sperrgebiet experimentierten DDR-Frankensteins mit einem die kaputte Müllumwelt auffressenden Plastekarnickel, Goliath.

Auch Willis resolute Schwester Adelheid (Dorothea Moritz – mit ihr verlegte und schrieb er einst die legendäre Werrapost) kriegt keine Ordnung ins Chaos.

Gebt es also auf, die von Anfang an aus dem Ruder laufenden Handlungsfäden zu ordnen. Der Film entspricht vollkommen den Zuständen, die er visuell beschreibt und uns akustisch infernalisch um die Ohren haut: Euphorie, Wirrnis und eine zerstörte Utopie, übrig bleibt Ernüchterung.

Deutschfieber wurde auf den Hofer Filmtagen 1992 ziemlich niedergemacht und wartet seitdem auf den Kinoeinsatz.

Moabits neues Off-Kino Filmrausch Palast in der Kulturfabrik Lehrter Straße wagt ab 9. Juni die Berliner Erstaufführung. Niklaus Schilling stellt sich tapfer der Diskussion. T. Tilz

„This film is a piece of shit“, soll Rosa von Praunheim über diesen Film gesagt haben, und in diesem Fall geben wir ihm ausnahmsweise einmal recht. Super 8 1/2, ein über Porno philosphierender Kunstfilm des schwulen kanadischen Regisseurs Bruce La Bruce, ist von einem übertriebenen Kult- und Gossenwillen besetzt. Das würde schon fast wieder Spaß machen, wenn nicht die dauernden unscharfen Einstellungen und der miese Ton so höllenmäßig nervten. Super 8 1/2 erzählt die Geschichte einer Underground-Filmerin namens Goochie, die eine Dokumentation über den gealterten, daueralkoholisierten Pornodarsteller und -regisseur Bruce (Bruce La Bruce) machen will. Wild durcheinander sehen wir ihre Vorbereitungenzu den Dreharbeiten, Ausschnitte aus ihren vorherigen Filmen sowie Ausschnitte aus den Pornos von Bruce und Bilder aus seinem abgefuckten Alltag. Ein Mini-Warhol veräppelt sich selbst. Das wirkungsvollste an Super 8 1/2 aber ist, daß er als Porno nicht funktioniert, weil die notwendige dumpf- duselige Konzentration und Versenkung nicht möglich ist. Der Zuschauer fragt sich ständig, was und wen er da gerade sieht, in welchem der Filme im Film er nun schon wieder gelandet ist. Und manche Blicke der Pornodarsteller sind so fleischlos romantisch, persönlich und viel zu intelligent, daß man froh ist, daß es eigentlich keinen „guten“ Porno gibt. kotte

Bitte beachten Sie auch dringend den Umstand, daß im Konzert mit Serial Mom – der aus irgendeinem merkwürdigen Grund offenbar nur mir gefällt – auch andere Filme von old Waters gereicht werden, und zwar die aus der Ära Divine, ich sage nur Hairspray.

Überregional startende Filme werden auch auf den Kulturseiten der Donnerstagsausgabe besprochen.

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