■ Filmstarts à la carte: J'amuse! J'amuse! J'amuse!
Inzwischen ist längst die Berichterstattung über den Bosnienkrieg selbst Thema von Berichterstattung. Medien beobachten sich selbst und machen daraus ein neues Medium. So ist es recht und hat etwas von der Zellteilung des Einzellers. Auch halten sich Medien systemexterne kritische Intellektuelle – ich sage Enzensberger, Walser, Handke – die ihnen zu gewählter Selbstbezichtigungsrhetorik verhelfen. Der Trend: Man denkt gern schlecht von sich, speziell beim Fernsehen. Handkes Beschreibungen der journalistischen Einseitigkeit benutzen Intendanten wie Flagellanten ihre Gerten. Irgendwie kann die Literatur gegenüber dem Fernsehen immer noch einen Unschuldsvorsprung geltend machen; wo der Reporter mit seiner Kamera wie ein Sniper mit seiner Waffe wirkt („Bilder schießen“! hoho!), wirkt der Dichter mit seinem einfachen prämodernen Stift wie eine Lichtgestalt.
Marcel Ophuls kann und will sich in Viellées d'armes diese Sicht nicht zu eigen machen. Dabei bedient er sich nicht des hoffnungslosen Arguments, die tapferen Journalisten berichteten doch nur, was der Fall sei. Nein, er weiß, daß es immer um Erzählungen geht, und also kommentiert er die Berichte mit Filmausschnitten aus den Marx-Brothers-Filmen, aus Filmen seines Vaters oder aus dem Hawks-Film „Only Angels Have Wings“ entsprechend. Im Gegensatz wiederum zu Baudrillard oder Godard verschwindet der Krieg bei Ophuls aber nicht in der Ästhetik, sondern eine Beerdigung bleibt eine Beerdigung und ein Schuß ein Schuß.
Auch er selbst wird zum Gegenstand der Reportage. In einem Wiener Hotelzimmer trifft er sich mit einer Prostituierten, bei der auch viele andere Kriegsberichterstatter Station machen. Sie erzählt, nicht unamüsiert, von einem italienischen Journalisten auf dem Weg nach Bosnien, der mit schweren Worten und entsprechender Mimik von ihr Abschied genommen habe wie von einer Kriegsbraut. „Vielleicht komme ich nicht wieder“, habe er gesagt. Womöglich, fügt sie nachdenklich hinzu, habe er da ein wenig übertrieben. „Ja, da hat er wohl ein bißchen übertrieben“, grient Ophuls in die Kamera und schwenkt ein Sektglas zu der Schönen.
Babylon Mitte: 20. 8.–21. 8
fsk am Oranienplatz: 22. 8.–28. 8.
Aus irgendeinem seltsamen Grund ist man hierzulande mit John-Ford-Retros immer sehr zurückhaltend. Ob das auch an der deutschen Vergangenheit liegt? Ausgrenzung Andersdenkender? Jedenfalls zeigt das Zeughaus-Kino Cheyenne Autumn, Fords Ballade über den unendlich langen Marsch der Cheyennes über 1.500 Meilen aus Oklahoma – wohin sie nach ihrer Kapitulation gegenüber der Armee deportiert worden waren – hin zu ihrer Heimat im Yellowstone bei Wyoming. Richard Widmark spielt einen Offizier, der den Indianern freundlich gesonnen ist, hardboiled wie immer, und der schließlich für sie nach Washington geht. Mr. Good Deeds goes to Washington. Auch wenn die Sache mitunter aus allen Nähten platzt: unbedingt zu empfehlen. mn
Zeughaus: 22. 8., 21 Uhr
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