■ Filmstarts à la carte: Die Nacht des Grauens
„Heute ist Halloween. Da darf jeder jeden mal so richtig erschrecken!“ Diese Aussage des Kleinstadt-Sheriffs in John Carpenters Halloween gewinnt in unseren Breitengraden leider kaum an Bedeutung: Das Fest am Vorabend von Allerheiligen – eine Kreuzung aus Hexensabbat, Fasching und Erntedankfest – hat sich bei uns bislang nicht so recht durchsetzen können. Wer sich also gelegentlich gern einen ordentlichen Schrecken gönnt, dem bleibt nur der Besuch des Kinos.
Fast wehmütig mag man sich daran erinnern, wie Carpenter, der seit nunmehr 15 Jahren nichts Gescheites mehr zustande gebracht hat, in „Halloween“ auf intelligente Weise die Mechanismen der Furcht erkundete und mit seinem überraschenden Erfolg Ende der siebziger Jahre eine wahre Horrorfilm-Epidemie auslöste. Carpenter inszeniert ein Kino des Schocks: Aus einer Atmosphäre der latenten Bedrohung bricht der unausweichliche Schrecken mit archaischer Gewalt über den Zuschauer herein. Wichtigstes Stilmittel des Regisseurs ist die subjektive Kamera: Bereits im Prolog zwingt sie dem Betrachter den Blick des psychopathischen Mörders auf und wird somit bei allen späteren subjektiven Einstellungen in uns die Angst auslösen, erneut mit den Augen des Killers auf potentielle Opfer zu blicken.
Als „schwarzer Mann“ entspringt der Mörder buchstäblich einem Kinderlied – seine Opfer erweisen sich passenderweise ausnahmslos als durchschnittlich debile Teenager. Zu beschränkt, um über den Rand ihrer kleinen Welt aus Sex and Drugs und Babysitten hinauszublicken, nehmen sie die lauernde Bedrohung gar nicht wahr und verlieren deshalb jedes Anrecht auf unser Mitleid.
Zielte Carpenters Horrorproduktion vornehmlich auf die Nervenzentren im Bauch, so sind die Filme von Alain Resnais reine Kopfgeburten: intellektuelle Spielereien, die das Prätentiöse ihrer literarischen Dialoge durch ironische Brechungen in der Inszenierung konterkarieren.
Resnais' Filme sperren sich gegen das herkömmliche Erzählkino: Imagination, Traum und Erinnerung verzahnen sich auf verschiedenen Realitäts- und Zeitebenen ineinander. So auch in Resnais' erstem Spielfilm Hiroshima mon amour aus dem Jahr 1959, in dem sich eine in Hiroshima weilende Französin durch ihren japanischen Liebhaber an die Okkupationszeit in Frankreich und ihren ersten Geliebten, einen deutschen Soldaten, erinnert fühlt.
Eine entscheidende Rolle spielt die Montage: Höhepunkt der Durchdringung von Gegenwart und Vergangenheit ist eine Sequenz, in der sich die gleichförmig gleitenden Kamerafahrten durch die Straßen von Hiroshima und Nevers für die Protagonisten zu einer Einheit von Ort und Zeit verdichten.
Im Rahmen der Filmreihe „Starke Mädchen“ kommt mit Stephen Frears' The Snapper, einer Komödie um die Schwangerschaft einer unverheirateten jungen Irin, der beste Film der ansonsten überschätzten „Barrytown“-Trilogie von Roddy Doyle zur Aufführung.
Hier wenigstens bringt Doyle seinen Plot einmal zu einem befriedigenden Ende (was er sonst nie schafft) und verzichtet außerdem auf die ununterbrochenen Fluchkanonaden von Colm Meany (die in „Fisch & Chips“ so nerven). Vor allem aber kann man sich mit purer Schadenfreude am Niedergang eines biederen Familienvaters delektieren, den der Gelegenheitsfick mit der besoffenen Nachbarstochter erst um sein Heim und dann um den Verstand bringt.
Lars Penning
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