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■ Filmstarts à la carteMelancholie und Sehnsucht

Obwohl sein Äußeres eine gewisse Ähnlichkeit mit Dracula- Darsteller Bela Lugosi nicht verleugnen konnte, war Carlos Gardel keineswegs ein Fürst der Finsternis, sondern der König des Tangos. Zu sehen und zu hören ist der Spanier am kommenden Wochenende in dem 1935 unter der Regie von John Reinhardt entstandenen Film „Tango Bar“, mit dem das Arsenal seine kleine Tango-Reihe beschließt. Gardel verkörpert einen Lebemann, der in Argentinien sein Vermögen beim Wetten verloren hat und mit seinem letzten Geld per Schiff nach Europa reist, um die lateinamerikanische Musik mittels der im Titel erwähnten Bar auch dort populär zu machen. Die Handlung, die ein wenig Liebe, Krimi und Melodrama bietet, dient jedoch lediglich als Vorwand, Gardel tun zu lassen, was er am besten kann: singen.

Seine Musik verleiht dem Film eine Aura der Melancholie; in den Texten finden Sehnsucht (nach Liebe und Heimat) und Trauer (etwa um die verlorene Jugendzeit) ihren Ausdruck. Von der Sinnlichkeit des Tangos – der immerhin in den Bordellen von Buenos Aires erfunden wurde – ist in seiner „Tango Bar“ allerdings kaum etwas zu spüren. Den Zensor wird es gefreut haben.

Es beginnt als Scharmützel zwischen gutem und schlechtem Geschmack: Howard Roarks moderne Architekturentwürfe im Stile Frank Lloyd Wrights stehen gegen die Zuckerbäckerbauten seiner Konkurrenten, die jeden Wolkenkratzer mit dekorativen Säulenportalen und neobarocken Verzierungen verschandeln. Roark (Gary Cooper) ist ein Individualist, der keine Kompromisse kennt; sein Freund Peter macht hingegen Konzessionen an den Massengeschmack und kommt den Auftraggebern weitestgehend entgegen. Keine Frage, wem da zunächst der Erfolg winkt.

Die Schärfe, mit der in King Vidors „The Fountainhead“ (1949) über moderne Architektur debattiert wird, mag heute absurd anmuten – tatsächlich aber war es dem realen Vorbild Frank Lloyd Wright ähnlich wie Roark im Film ergangen. Eine ganze Weile hatte er in Amerika keine Aufträge mehr bekommen; sein eigenes Haus wurde gar zweimal in Brand gesteckt. Als sich die Qualität von Roarks Bauten dann langsam durchzusetzen beginnt, ändert sich mit dem scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg auch die Stoßrichtung des Films, der zunehmend zu einer etwas pseudophilosophischen (aber sehr spaßigen) Abhandlung über Macht und Charakter, Geld und Massenmedien wird. Schließlich kommt es über die Frage, ob die Aufgabe des Architekten nur mit radikalem Individualismus und in größter künstlerischer Freiheit zu erfüllen sei oder ob er sich dem Kollektiv unterzuordnen habe, gar zu einem Machtkampf der Gesellschaftssysteme: Als seine Entwürfe für ein soziales Wohnungsbauprojekt verschandelt werden, sprengt Roark kurzerhand die Rohbauten in die Luft und steht als eine Art „Volksschädling“ vor Gericht. Dort kann er die Geschworenen jedoch davon überzeugen, daß sein Nonkonformismus den einzig richtigen, also amerikanischen Weg darstellt, während alles andere geradewegs in die Sklaverei führt. Das war 1949 auf dem Höhepunkt der Kommunistenhatz in den USA kaum mißzuverstehen.

26.4. im Zeughauskino

Lars Penning

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