■ Filmstarts à la carte: Anarchie im Dienste der Familienunterhaltung
Befragt nach dem Geheimnis seiner Komik, blieb Groucho Marx – sonst durchaus ein Mann des geschliffenen Wortes – stets erstaunlich zurückhaltend. „Ich bin eben ein lustig aussehender Bursche“, pflegte er dann gemeinhin zu antworten. Doch allein der große Schnurrbart und der unnachahmliche Gang mit dem nach vorne gebeugten Oberkörper erklärten seinen Erfolg wohl nur unzureichend. Denn es waren vor allem die Wortspiele und seine niemanden verschonenden sarkastischen Frechheiten, derentwegen ihn seine Fans liebten.
Ursprünglich als Gesangstruppe gestartet, hatten die Marx Brothers ihre Bühnencharaktere auf ausgedehnten Vaudeville- Tourneen in den 10er und 20er Jahren entwickelt: Harpo avancierte zum zappeligen Stummen mit der blonden Zauselperücke, Chico spielte den Fake-Italiener mit der verqueren Logik, und Groucho parodierte „Respektspersonen“ wie Professoren, Ärzte und Premierminister.
Grundlage der Marxschen Komik war die gnadenlose Demontage von Institutionen und Autoritäten – so schufen die Brüder in ihren besten Werken Momente purer Anarchie.
„A Night at the Opera“, den das Babylon-Mitte in der kommenden Woche aus Anlaß des 20. Todestages von Groucho Marx zeigt, entstand 1935 bei MGM unter der Regie von Sam Wood und führte die Marx Brothers aus der größten Krise ihrer Karriere: Ihr vorheriger Film „Duck Soup“, eine Farce um einen Diktator (Groucho), der einen Krieg anzettelt, weil er die Miete für das Schlachtfeld bereits bezahlt hat, war beim Publikum durchgefallen – zu anarchistisch und unsympathisch erschienen die Komiker dem Familienpublikum. Doch ihr neuer Gönner, MGM-Produktionschef Irving Thalberg, fand die Lösung des Problems, indem er die Marx Brothers ein wenig „entschärfte“: Von nun an halfen die Brüder als dienstbare Geister einem entsetzlich netten jugendlichen Liebespaar aus Notsituationen – die anarchistische Komik wurde als Mittel zum guten Zweck instrumentalisiert. Trotzdem überlebte die Komik der Marx Brothers an vielen Stellen alle Zähmungsversuche relativ unbeschadet, so daß „A Night at the Opera“ einige ihrer schönsten Nummern enthält – wie etwa die berühmte Szene in der winzigen Schiffskabine, in die Groucho, nachdem der Platz schon kaum mehr für ihn, seine Brüder und einen hilfsbedürftigen Tenor ausreicht, noch zwei Zimmermädchen, einen Klempner und seinen Assistenten, eine Maniküre, eine Putzfrau, eine Dame auf der Suche nach ihrer Tante sowie drei Kellner hereinbittet.
21./22. und 26.8. im Babylon-Mitte
Vor nunmehr genau einhundert Jahren veröffentlichte Bram Stoker seinen Vampirroman „Dracula“, so daß sich auch das diesjährige Fantasy-Filmfest genötigt sah, diesem runden Geburtstag Tribut zu zollen und mit Terence Fishers „Dracula“ den – neben Murnaus „Nosferatu“ – wohl besten Blutsaugerfilm ins Programm zu hieven. 1958 für die britische Firma Hammer entstanden, beschritt „Dracula“ seinerzeit neue Wege in der Darstellung von Gewalt und Erotik im Horrorfilm: Nie zuvor hatten sich steilbrüstige Frauen derart wollüstig auf ihre Betten drapiert, um den Biß des schönen Grafen (Christopher Lee) zu empfangen, und selten hatte das Blut so dekorativ von seinen Fängen getropft.
(im Rahmen des Fantasy-Filmfestes)
Lars Penning
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