piwik no script img

■ Filmstarts à la carteEinfach der Größte

Hätte der Boxkampf Muhammad Ali gegen den Weltmeister Geroge Foreman am 25. September 1974 in Kinshasa, Zaire, stattgefunden wie geplant, die Welt wäre vermutlich um eine gefilmte Musikdokumentation reicher gewesen.

Wie das? Nun – eigentlich war der Regisseur Leon Gast mit seiner Crew ausgezogen, ein dem Kampf vorausgehendes dreitägiges Musikfestival mit schwarzen Künstlern wie James Brown, B.B. King und Miriam Makeba auf Zelluloid zu bannen. Doch wenige Tage vor dem großen Ereignis verletzte sich Foreman beim Training – und Gast nutzte die sechs Wochen bis zur Neuansetzung der Veranstaltung, um die Vorbereitungszeit der beiden Boxer ausführlich zu dokumentieren. Da der Regisseur dabei insbesondere viel Zeit mit dem in Sachen Selbstdarstellung nie sonderlich gehemmt wirkenden Muhammad Ali verbrachte, entstand durch einen Zufall mit „When We Were Kings“ eines der interessantesten Sportlerportraits in der Geschichte des Dokumentafilms. Denn „Großmaul“ Ali war nicht nur ein brillanter Boxer, er war eine echte Persönlichkeit: Hinter der großen Klappe steckte ein intelligenter und witziger Mann, der dem weißen Amerika mutig unbequeme Wahrheiten ins Gesicht schleuderte und ein Stück weit zum Stifter einer „schwarzen Identität“ wurde.

Nachdem Ali in den sechziger Jahren zum Islam konvertiert war, sah er im afrikanischen Kontinent die eigentliche Heimat aller Schwarzen; seine religiösen und politischen Überzeugungen führten ihn in Zeiten des anhaltenden Vietnam-Krieges schließlich zur Verweigerung des Wehrdienstes.

Man hatte ihm deshalb seinen Weltmeistertitel aberkannt! – nun aber bewies er einmal mehr, daß die alte Boxerweisheit „They never come back“ für ihn keine Gültigkeit besaß. Alis Auftreten und seine Erfolge machten die schwarzen Amerikaner stolz auf ihre Herkunft; für die Afrikaner hatte er stets als einer der ihren gegolten.

Gegen den lautstarken und wortgewaltigen Ali erschien der miesepetrige Foreman geradezu als Dumpfbacke – den psychologischen Kleinkrieg vor dem Kampf verlor er jedenfalls klar nach Punkten, ehe er dann auch sportlich k.o. ging. Denn natürlich kommt auch das eigentliche Sportereignis nicht zu kurz: Norman Mailer kommentiert 20 Jahre später so mitreißend und kenntnisreich, daß man geradezu mitfiebert, obwohl natürlich nur einer siegen kann: der Größte.

Intimes;

21.-24.11. im Regenbogenkino (OmU)

Der Faustkampf als möglicher Weg aus der der sozialen Misere – was klingt wie eine typische Geschichte aus einem amerikanischen Ghetto, führt uns in Luchino Viscontis „Rocco und seine Brüder“ doch geradewegs in das Italien der frühen Sechziger. Fünf Brüder verlassen ihre ländliche Heimat im Süden und siedeln sich im industrialisierten Milano an – in epischer Breite schildert Visconti, wie sie mit der neuen Situation zurechtkommen (oder eben nicht) und zeigt, wie die anfangs scheinbar unauflösbaren Familienbande langsam zerbrechen. Viscontis Realismus ist bitter und deprimierend und doch endet der Film mit einem eingeschränkt versöhnlichen Ausblick: Der Jüngste will eines Tages in die Heimat zurückkehren – falls sich die Lebensbedingungen dort einmal ändern sollten.

24.11. im Arsenal

Lars Penning

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen