■ Filmstarts à la carte: Wie der Weihmachtsmann Arbeitsplätze sichert
Die Spekulatius lauern bereits seit September in den Supermarktregalen auf Käufer, doch mit Anbruch der Adventszeit geht der Rummel erst so richtig los: Der Gedanke an Geschenke drängt sich ins Bewußtsein, die Kunden schieben sich durchs Gedränge, und das Verkaufspersonal der Komsumpaläste macht Überstunden. Bunte Licherketten leuchten dem Flaneur heim, Väter proben heimlich das Umhängen weißer Rauschebärte, und Anhäufungen anheimelnder Bretterbuden verlocken – unter der euphemistischen Bezeichnung „Weihnachtsmarkt“ – zum Kauf von Räuchermännchen aus dem Erzgebirge. Und wer angesichts des ganzen Elends Halt und Trost beim Glühwein sucht, hat, noch ehe er sich versieht, den ersten Preis im Ähnlichkeitswettbewerb mit Rudolf, dem rotnasigen Rentier gewonnen. Vermutlich eine Packung Spekulatius. Oder ein Räuchermännchen.
Daß der Konsumtrubel vor 50 Jahren kaum geringer ausfiel, zeigt uns Regisseur George Seaton in seiner Weihnachtskomödie „Miracle on 34th Street“ (1947), in der Edmund Gwenn den Kris Kringle (eine amerikanische Weihnachtsmannvariante) der Spielwarenabteilung eines großen Kaufhauses verkörpert. Dort stellt Kringle mit der Behauptung, er sei der „echte“ Weihnachtsmann, die Geduld des Managements auf eine harte Probe. Seine Rolle als Erfüller von Kinderwünschen nimmt er nämlich derart ernst, daß er – sofern die verlangten Artikel nicht vorrätig sind – die Kunden lieber zur Konkurrenz schickt, als ihnen die Ladenhüter seines Arbeitgebers aufzuschwatzen. Zynischerweise erweist sich seine Ehrlichkeit schnell als erstklassige Werbestrategie im Kampf um die Sympathie der Kunden – der Umsatz steigt derart, daß sich die Konkurrenz zum gleichen Geschäftsgebaren genötigt sieht. Da der Betriebspsychologe Kringle jedoch in eine Anstalt einweisen lassen will, muß schließlich ein Gericht über die Existenz des Weihnachtsmannes urteilen. Wie eine aus dem Leben gegriffene Realsatire inszeniert Seaton dabei eine Sequenz, in der ein Politiker mit zwingender Logik den Richter auf die Folgen einer negativen Entscheidung hinweist: ohne Weihnachtsmann keine Wunschzettel, ohne Wunschzettel kein Konsum, ohne Konsum Abbau der Arbeitsplätze, ohne Arbeitsplätze Ärger mit der Gewerkschaft – und ohne Wohlwollen der Gewerkschaft keine Wiederwahl. So steht der Anerkennung Kringles letztlich nichts mehr im Wege. Und weil Edmund Gwenn in seiner mit dem Oscar prämierten Rolle derart charmant ist, daß er selbst seiner pragmatischen und weihnachtsmannfeindlichen Chefin (Maureen O'Hara) und ihrer aufgeklärten kleinen Tochter (die damals neunjährige Natalie Wood) die Vorzüge einer lebhaften Phantasie vermitteln kann, bekommt man Lust, sich der Entscheidung des Gerichts anzuschließen.
1./2.12. im Zeughauskino
In der Weihnachtszeit, jedoch ohne versöhnlichen Ausklang, endet auch die Geschichte von Jacques Demys „Les Parapluis de Cherbourg“.
In der bittersüßen Liebesgeschichte, in der alle Dialoge gesungen werden, akzentuiert – mehr als die vielleicht etwas zu eintönige Musik Michel Legrands – vor allem die gewagte Farbgebung Charakter und Stimmungslage der Figuren. Ist etwa die Zeit der Verliebtheit von Guy und Genevieve (Catherine Deneuve) durch ein leuchtendes Gelb, Rot und Blau gekennzeichnet, so zeigt Demy seinen Helden im Unglück in einem Ambiente, in dem sich ein schmutziges Grün mit Rot und Blau derart beißt, daß einem glatt schlecht werden könnte.
28./29.11. im Arsenal
Lars Penning
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