■ Filmstarts à la carte: Darf es ein wenig größer sein?
Die Horrorwirkung von Tieren ist spätestens seit den mittelalterlichen Legenden vom Drachen verbürgt. Auch beim Film bedient man sich gern eines reptilienartigen Hauptdarstellers, um wohligen Grusel zu verbreiten, doch auch Insekten und Gliederfüßer stehen immer hoch im Kurs. Scheint doch alles, was glitscht, kriecht und krabbelt, beim Menschen eine Urangst auszulösen, die sich im Kino kommerziell auswerten läßt. Aber groß müssen sie sein, die Monster. Und so wie einst der harmlose Gorilla in einen gefährlichen King Kong verwandelt worden war, sorgten im Kino der fünfziger Jahre riesige Spinnen, Libellen und Ameisen für Aufregung. Da nahezu alle (Film-)Mutationen ihren Ausgangspunkt in mißglückten wissenschaftlichen Experimenten oder einer unkontrollierten Atomtechnik nehmen, bringen die Monstermovies der Fünfziger auch die kollektive Furcht vor ungehemmter Forschung und unkontrollierbarer Technik zum Ausdruck und zeichnen somit ein interessantes Bild von der Schizophrenie einer eigentlich fortschrittsgläubigen Gesellschaft.
Auch die gewaltigen Ameisen, die in Gordon Douglas' „Formicula“ (1954) die Wüste bevölkern, sind ein ungewolltes Nebenprodukt der ersten Atombombenversuche und bedrohen nunmehr die Menschheit. Eines der frühesten Werke seiner Machart, ist „Formicula“ ob seiner Seriosität eines der besten geblieben: Auf den genretypischen verrückten Wissenschaftler wurde gleich ganz verzichtet, und auch die Liebesbeziehung eines FBI-Agenten zur unvermeidlichen hübschen Forscherin wird allenfalls hauchzart angedeutet. Daß man statt dessen tatsächlich etwas über die Lebensweise von Ameisen erfährt, ohne sich gleich in einem Dokumentarfilm zu wähnen, macht die Bedrohung nur um so wirkungsvoller. Vor allem aber hat Douglas die Schauplätze des spannenden Kampfes der Polizisten, Gelehrten und Militärs gegen die überdimensionierten Tierchen effektiv in Szene gesetzt: die öde, scheinbar unbewohnte Wüste ebenso wie das in dunkle Schatten gehüllte, einsam gelegene Haus eines Opfers und die Abwasserkanäle von Los Angeles, die den Ameisen als Bruthöhlen dienen.
Geht man in der Filmgeschichte noch zwei Jahrzehnte zurück, stößt man unweigerlich auf den Klassiker des Monster- und Mad-Scientist-Films: „Frankensteins Braut“, 1935 entstanden unter der Regie des Engländers James Whale. Gespenstische Landschaften und finstere Grüfte, riesige Schloßräume mit eingewölbten Decken und ein bizarres Turmlaboratorium: Die Dynamik des Films entspringt dem Wechsel zwischen Totalen der eindrucksvollen Schauplätze und schnellen Folgen von Großaufnahmen, etwa der von grellen Blitzen erleuchteten und von fiebriger Spannung verzerrten Gesichter der Wissenschaftler. Im Kontrast dazu eine der pastoralen Sequenzen des Horrorfilms: Wenn Karloff, der dem Monster rührend-kindliche Züge verleiht, im blinden Einsiedler für einige kurze glückliche Momente einen wahren Freund findet.
Lars Penning
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