■ Filmstarts à la carte: Von toten Frauen und Telefonen
Der phänomenale Erfolg von „Dracula“ und „Frankenstein“ veranlasste die Bosse des Universal-Studios in den dreißiger Jahren zu der kommerziell gewiss nicht verkehrten Entscheidung, die beiden größten Stars des Horrorgenres auch einmal in einem gemeinsamen Film zu präsentieren. Und wie Edgar G. Ulmers „The Black Cat“ (1934) noch heute zeigt, gaben sie tatsächlich ein effektives Gespann ab: Der überaus theatralische Bela Lugosi fand seinen Gegenpart im stets stark zurückgenommenen Boris Karloff, der – von statuarischer Figur und meist ebenso langsam schreitend wie sprechend – geradewegs einem sehr merkwürdigen Traum entsprungen zu sein schien. Überhaupt verweigert sich „The Black Cat“ dem klassischen Horror ein wenig: Das Spiel von Licht und Schatten in den Kellergewölben und Verließen hat kaum etwas Erschreckendes, und niemals wird man als Zuschauer vom Grauen einfach überrumpelt. Vielmehr verströmt der Film eine Aura träumerischer Melancholie, die ihren schönsten Ausdruck wohl in jener Sequenz findet, in der Karloff wie in einem Museum gemessenen Schrittes von einer hell erleuchteten Glasvitrine mit gut konservierten Frauenleichen zur anderen wandert und dabei gedankenverloren seine Katze streichelt.
„The Black Cat“ handelt vom offen ausgetragen Duell zweier Psychopathen: Karloff spielt den Baumeister Hjalmar Poelzig (eine hübsche Anspielung auf den (Film-) Architekten Hans Poelzig, der u.a. das Babylon- Kino baute), der als Großmeister eines Teufelkults in einem hypermodernen Haus – das set design betont vor allem die horizontalen und vertikalen Linien – lebt, das er auf den Ruinen eines Forts errichtet hat, dessen Kommandant er im ersten Weltkrieg war. Lugosi hingegen verkörpert den nach 15 Jahren Kriegsgefangenschaft vollkommen irren Psychiater Dr. Vitus Werdegast, der sich an Poelzig rächen will, weil dieser ihm Frau und Tochter abspenstig gemacht hat. Geradezu unerläßlich ist es, den nunmehr einsetzenden Irrsinn mit Schwarzen Messen in modernistischem Design und Schachpartien um das Leben gefangener Gäste in der amerikanischen Originalfassung zu sehen: Nur dann nämlich kommt man in den Genuß der wunderbaren Stimme Boris Karloffs, wenn er mit diabolischem Lächeln das Motto des Films verkündet: „The phone is desd. Do you hear, Vitus. Even the phone is desd.“
Wie man sich die nähere Zukunft der Raumfahrt im Jahre 1955 vorstellte, zeigt Byron Haskins „Conquest of Space“: Eine Raumstation im Orbit mit Shuttleverkehr von und zur Erde – furchtbar weit entfernt von der heutigen Realität war die Science Fiction der fünfziger Jahre manchmal gar nicht. Ein Film ganz ohne Monster und Mutanten: Die Bedrohung einer Expedition zum Mars erwächst ganz einfach aus der Tatsache, daß es dort außer rotem Sand und Geröll eben überhaupt nichts gibt. Interessant auch die Gedanken, die den Astronauten bei der Erforschung des Weltalls so kommen: Während ein japanischer Expeditionsteilnehmer die Mars- Mission mit dem quasi-faschistischen Argument der Eroberung neuer Lebensräume rechfertigt, verfällt der Kommandant dem religiösen Wahn, die ganze Raumfahrerei sei Gotteslästerung. Weshalb er auch sogleich erschossen wird und zu einem ordentlichen Marsbegräbnis kommt. Mit christlichem Holzkreuz.
Lars Penning
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