■ Filmstarts à la carte: Wahrhaftige Menschen
Seit der Lewinsky-Affäre fragt man sich erschüttert, ob Bill Clinton überhaupt noch die Sicherheit der westlichen Welt garantieren kann. Wo doch nicht einmal sein Sex „safer“ ist. Könnte ihm da nicht auch eines Tages versehentlich eine Rakete vorzeitig abgehen? Und überhaupt: Wo bleiben die traditionellen amerikanischen Werte?
Die ganze Sache entwickelt sich immer mehr zu einem Fall für Bing Crosby – Father O'Malley, übernehmen Sie! Hand aufs Herz: Wer sieht sie nicht immer wieder gern, jene kleinen katholischen Konventzöglinge, wie sie jeden Morgen zu Schulbeginn die Augen fest auf das Sternenbanner richten, mit den Fingern ihren wichtigsten Körperteil umkrampfen und ihre Treue zur Verfassung bekunden, während leise „Die Glocken von St. Marien“ bimmeln? Und wer jetzt glaubt, die Filmjournalisten der taz seien auch schon von allen Heiligen und sonstigen guten Geistern verlassen, dem sei ganz ernsthaft versichert: Es ist ein wirklich schöner Film.
Denn Regisseur Leo McCarey war nicht nur Katholik, Patriot und Antikommunist, er besaß vor allem Humor und, wie ihm sein Kollege Jean Renoir einst bescheinigte, ein tiefes Verständnis für die Menschen.
Und so sollte man sich von trällernden Priestern und betenden Nonnen nicht schrecken lassen: Wenn beispielsweise Ingrid Bergman als Schwester Benedict bar jeder dramaturgischen Notwendigkeit ein Lied aus ihrer schwedischen Heimat singt, dann entsteht einer jener seltenen Momente im sonst oft nur allzu perfekt durchgeplanten Hollywoodkino, in dem man einen wahrhaftigen Menschen zu sehen glaubt. Natürlich kommt auch der Humor nicht zu kurz: Wirklich amüsant erscheint eine Szene, in der Schwester Benedict einem ihrer Schüler das Boxen beibringt, nachdem sie sich zuvor durch Studium entsprechender Fachliteratur kundig gemacht hat.
Im übrigen verbirgt sich hinter der religiösen Fassade der „Bells of St. Mary's“ lediglich McCareys ewiges Lieblingsthema: die Darstellung und Diskussion verschiedenster Lebensauffassungen – verbunden mit einem Appell an die Toleranz der Zuschauer.
Die Hommage des diesjährigen Fantasy-Filmfestes ist einem Mann gewidmet, der in den fünfziger Jahren in nicht unerheblichem Maße zur Revitalisierung des Horrorgenres beitrug: Jimmy Sangster, in seiner Eigenschaft als Drehbuchautor bei der britischen Produktionsfirma Hammer Films verantwortlich für die Skripts zahlreicher neuer Frankenstein- und Dracula-Versionen. In „The Curse of Frankenstein“ (Regie: Terence Fisher) akzentuierte Sangster an Mary Shelleys alter Geschichte von der Erschaffung künstlichen Lebens vor allem die Phase der Vorbereitung – bei der Suche des Barons nach geeigneten Leichenteilen konnten insbesondere die blutigen Details – etwa ein Paar abgehackter Hände – angemessen in Szene gesetzt werden. Was die Hammer-Filme generell auszeichnete, war der Sinn für Stil, der Spaß an der Rekreation einer Epoche, in der steife Kragen, Rüschenchemisetten und Backenbärte das Erscheinungsbild jener finsteren Gestalten prägte, die – eingetaucht in ein eitriges gelbgrünes Licht – ihr Unwesen in Laboratorien, Grüften und einsamen Landsitzen trieben.
Lars Penning
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