■ Filmstarts à la carte: Der perfekte Mitarbeiter
Das Wirken Buster Keatons als Schauspieler und Regisseur wurde an dieser Stelle schon häufiger wohlwollend kommentiert. Bislang unerwähnt blieb jedoch einer der wichtigsten Mitarbeiter des Komikers: Autor Clyde A. Bruckman, der gemeinsam mit Jean Havez und Joseph Mitchell die Drehbücher zu fünf langen Filmen Keatons verfaßte, darunter Meisterwerken wie „Our Hospitality“ und „The Navigator“. Bei der Bürgerkriegskomödie „The General“ reüssierte Bruckman 1926 erstmals sogar als Co-Regisseur. Und doch ist sein Name heute nahezu vergessen. Dabei könnte die Karriere des ehemaligen Journalisten durchaus ein Musterbeispiel für das Kino als „collaborative art“ abgeben. Denn Bruckman war der Mitarbeiter par excellence: „Gagman“, Co-Autor von Stories und Drehbüchern oder Regisseur unter der Oberaufsicht eines „Supervisors“. Ohne eigenen Stil und bar aller Prätentionen lagen Bruckmans Stärken im Herausarbeiten der individuellen Komik der Stars, mit denen er arbeitete. Ein kompetenter Handwerker, auf den sich auch Harold Lloyd, Laurel und Hardy oder W.C. Fields verlassen konnten. Traurigerweise wies der Verlauf von Bruckmans Karriere jedoch auch einige unschöne Parallelen zum Dasein seines Freundes Keaton auf: Jener hatte Ende der zwanziger Jahre bei MGM jeglichen Einfluß auf „seine“ Filme verloren und wurde, durch Ehe- und Finanzprobleme zusätzlich belastet, in der Folge zum depressiven Alkoholiker. Bruckman konnte Anfang der dreißiger Jahre noch als Regisseur der ersten Tonfilme von Harold Lloyd Erfolge feiern, doch schon bald ereilten auch ihn Keatons Probleme – mit den gleichen Auswirkungen. Seine ramponierte Karriere endete mit einem Skandal, als Harold Lloyd die Columbia-Studios wegen Plagiats verklagte: Unfähig, kontinuierlich zu arbeiten, hatte Bruckman die gleiche „Story“ einfach zweimal verkauft. Völlig ruiniert erschoß sich Bruckman später in den Toilettenräumen eines Restaurants in Hollywood – mit Buster Keatons Revolver. Vom traurigen Ende jedoch noch einmal zurück zu Bruckmans Glanzzeit: Beim „General“ handelt es sich natürlich nicht um einen knarzigen Militär, sondern um Keatons geliebte Lokomotive, die ihm zu Beginn des Sezessionskriegs von Nordstaatlern entführt wird. In den einsetzenden Verfolgungsjagden verzahnen Keaton und Bruckman Gags und Handlung: Beinahe beiläufig entwickeln sich die komischen Momente sowohl aus der spannenden Story als auch aus dem Fluß der Bewegung heraus. Auf dem Gebiet der physischen Komödie bleibt „Der General“ unerreicht.
Erst kürzlich feierte Stanley Kubrick seinen siebzigsten Geburtstag, ausführlich wurde sein Werk überall kritisch gewürdigt. Jetzt gibt es auch seinen wohl außergewöhnlichsten Film wieder zu sehen: Nein, nicht den Langweiler „2001“, sondern „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“, die wohl ultimative schwarze Komödie über das Thema einer außer Kontrolle geratenen Technik. Und während Pilot Slim Pickens auf seiner Atombombe den Cowboyhut schwenkend der Vernichtung der Menschheit entgegenrast, streiten sich der amerikanische Präsident (Peter Sellers) und der russische Premier in einem unglaublichen Telefongespräch darüber, wem die ganze Sache mehr leid tut. Tröstlich, daß sie eine Kompromißformel finden: Es tut beiden gleich leid.
Lars Penning
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen