■ Filmstarts à la carte: Dunkle Wolken und verhaltener Optimismus
Frauen, Theater und Religion: An den großen Passionen und Themen seines Lebens hat sich Ingmar Bergman immer wieder abgearbeitet. Das Nickelodeon bietet zur Zeit eine Retrospektive mit Werken des schwedischen Regisseurs an, in der auch der sonst wenig gezeigte Film „Sommarlek“ (Einen Sommer lang) (1951) zum Einsatz kommt. Ähnlich wie der zwei Jahre später entstandene „Die Zeit mit Monika“ erzählt auch „Einen Sommer lang“ die bittere Geschichte einer Jugendliebe auf einer schwedischen Schäreninsel. Doch während die Protagonisten in „Die Zeit mit Monika“ langsam von einem grauen, ihre Liebe zerstörenden Alltag desillusioniert werden, endet die erste Verliebtheit von Maria und Hendrik in „Sommarlek“ abrupt mit seinem plötzlichen Unfalltod. Die junge Ballerina Maria vergräbt sich in ihre Arbeit, versteckt sich hinter den Masken des Theaters, läßt keine Gefühle mehr an sich heran. Als sie jedoch 13 Jahre später Hendriks Tagebuch zugeschickt bekommt, führt die Erinnerung sowie eine Reise an die Orte ihres einstigen Glücks letztlich zur Befreiung von den Schatten der Vergangenheit. Bergman inszenierte „Sommarlek“ mit einem Hang zu starker Symbolik: Da durchschreitet Maria stürmische Herbstlandschaften, als ob die knapp 30jährige bereits im Herbst ihres Lebens stünde. Und von Hendriks nahendem Tod künden dunkle Wolken, die Schreie von Krähen und Käuzen sowie die alte Tante, die Bergman hier als Verkörperung des Todes einsetzt. Trotzdem endet der Film verhalten optimistisch: Vielleicht gelingt es Maria nun doch noch, mit ihrem jetzigen Partner ein neues Glück zu finden. Noch ein kleines Kuriosum am Rande: Die Figuren, die Maria und Hendrik im Überschwang ihrer Verliebtheit auf eine Schallplattenhülle zeichnen, führen in einer kleinen Zeichentricksequenz plötzlich ein Eigenleben – eine überaus charmante Hommage an den frühen Animationsfilm.
Einen Klassiker des deutschen Stummfilms zeigt das Blow Up: „Der Golem, wie er in die Welt kam“ von Paul Wegener und Carl Boese besitzt seine Bedeutung heute vor allem aufgrund der faszinierenden Bauten von Hans Poelzig: Schmale Gassen durchziehen das mit einer hohen Mauer umgebene mittelalterliche Judenghetto mit seinen windschiefen, steil aufragenden Häusern und schaffen in der Geschichte um die Bedrohung des jüdischen Volkes durch einen eitlen Kaiser eine beklemmende Atmosphäre. Das Motiv der Schaffung künstlichen Lebens weist auf eine andere Epoche der Filmgeschichte voraus: Zwar existiert der aus Lehm gefertigte Golem anders als Frankensteins Monster bereits als Fertigbausatz, doch Paul Wegeners Darstellung des Geschöpfes – mit eckigen, unbeholfenen Bewegungen und erschreckender Unberechenbarkeit – dienten dem amerikanischen Horrorfilm der dreißiger Jahre als nicht zu unterschätzende Inspirationsquelle.
„Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze“, sagt Friedrich Schiller, der allerdings weder Film noch Video kannte. Manchmal geraten die Schauspieler trotz heutiger Aufzeichnungsmöglichkeiten in Vergessenheit. Zum Beispiel Maly Delschaft, die in diesem Monat ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte: In den 20er und 30er Jahren ein Theater- und Filmstar in Berlin, rollte die Zeit gnadenlos über sie hinweg. Das Arsenal zeigt die Delschaft in einigen ihrer bekanntesten Filme: In F.W. Murnaus „Der letzte Mann“ spielt sie die Nichte des alten Hotelportiers, der ihr seinen Abstieg zum Toilettenwächter verheimlicht, und in „Varieté“ von E.A. Dupont avancierte sie zur Gattin eines Zirkusartisten, der sie jedoch für die weit flamboyantere Lya de Putti verläßt.
Lars Penning
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen