Filmstarts à la carte: Blaue Meere und rote Korsaren
■ Von allen Filmgenres gehörte der Piratenfilm fraglos zu den aufwändigsten. Historische Kostüme und Dekorationen, der spätestens seit den 40er Jahren ebenso unabdingbare wie teuere Farbfilm sowie die Modellschiffe für die Seeschlachten - die nicht unbeträchtlichen Kosten konnten zunächst nur von Großproduktionen getragen werden. Erst als in den 50er Jahren Farbfilme kostengünstiger gedreht werden konnten, entstanden auch nennenswerte Piraten-B-Film- Produktionen. Der Piratenfilm war ein klassisches Studiogenre, denn nur im Atelier konnte man die aufwendigen Seeschlachten mit Schiffsmodellen schlagen und jene bunten Fantasiewelten schaffen, die für das Genre unerläßlich waren. Somit markiert Robert Siodmaks „Der rote Korsar“ in der klassischen Ära eine Ausnahme: 1952 an Originalschauplätzen auf der Insel Ischia entstanden, weist der Film denn auch eine andere Farbskala auf als die reinen Studioproduktionen. Statt bunter Hafenkulissen gibt es weißgetünchte Dörfer, anstelle von wildbewegtem düsterem Wasser das ruhige tiefblaue Mittelmeer, und statt dramatischer blutroter Sonnenuntergänge sieht man das heitere Azurblau des italienischen Himmels. Und weil mit echten Schiffen gedreht wurde, konnte es auch keine besonders spektakulären Seeschlachten geben. Sehr schön stellt der Film allerdings den zirzensischen Aspekt des Genres heraus und lässt die ehemaligen Trapezartisten Burt Lancaster und Nick Cravat mit Spaß und Können ausgiebig in der Takelage herumturnen. Doch trotz einer klassischen Geschichte - Piratenkapitän Vallo verliebt sich in die Tochter eines Rebellen und lässt sich von der Notwendigkeit des Kampfes gegen den schurkischen Gouverneur überzeugen - ist äDer rote Korsarô eher eine Parodie auf das Genre, wovon vor allem die überdrehten Szenen mit einem hilfreichen Erfinder von Ballons und U- Booten künden.
„Der rote Korsar“ 5.8.-6.8. im Arsenal 1
■ Vom roten Korsaren zur roten Wüste: Erheblich handlungsärmer als die bunten Piratengeschichten gestalten sich die Werke Michelangelo Antonionis, dem das Lichtblick-Kino in den kommenden Wochen eine Retrospektive widmet. In den frühen 60er Jahren gelang es dem italienischen Regisseur wie keinem anderen, die - ästhetisch immer sehr ansprechenden - Sinnkrisen des intellektuellen Menschen in der modernen Gesellschaft in seinen Filmen darzustellen. Bindungslos, unsicher, hilflos gegenüber den Veränderungen der Umwelt stehen die Protagonisten verloren in den Neubauvierteln, die Antonioni in „L‘Avventura“ und „La Notte“ gern und ausgiebig zeigt. Und in „Die rote Wüste“ ist es die farblich verfremdete Industrielandschaft Oberitaliens, die als Auslöser und Spiegel der seelischen Krankheit der Protagonistin dient.
„L‘Avventura“ 3.8.-9.8., „Die rote Wüste“ und „Antonionis China“ 4.8.-9.8. im Lichtblick-Kino
■ Während Antonioni für seine aufgrund einer Einladung von offizieller Seite entstandene China-Dokumentation 1972 gerade einmal fünf Wochen das Land bereiste, lebte Robert Flaherty mit seiner Familie zwei Jahre unter den Eingeborenen der samoanischen Insel Savaii, um schließlich mit „Moana“ (1926) einen Film über einen jungen Mann und seine Familie zu drehen. Das Sammeln von Nahrung, das Jagen und Fischen, die Herstellung eines Gewandes aus den Fasern der Rinde vom Maulbeerbaum, ein ritueller Tanz - die scheinbar alltäglichen Beschäftigungen stellen sich schließlich als Vorbereitungen für ein Iniationsritual heraus, bei dem sich Moana einer schmerzhaften Tätowierung unterziehen muss, um anschließend als Mann gelten zu können. In aller Regel enthält sich Flaherty überflüssiger Erklärungen und enthüllt mit seiner Kamera erst nach und nach den Sinn der Tätigkeiten der Protagonisten: So bleiben auch das Ausräuchern einer Strandkrabbe und das Pflücken von Kokosnüssen spannend.
„Moana“ 3.8. im Arsenal 2
Lars Penning
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