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Filmmuseum Potsdam"Wie ein Kaleidoskop"

Die Direktorin des Filmmuseums Potsdam, Bärbel Dalichow, über das weltweit älteste Großatelier-Filmstudio, das an diesem Sonntag 100 wird.

Was ist Kulisse, was ist echt? In Babelsberg verschwimmen die Grenzen. Bild: reuters, Thomas Peter
Interview von Plutonia Plarre

taz: Frau Dalichow, das Filmstudio Babelsberg feiert am Sonntag seinen 100. Geburtstag. War der nicht am 3. November?

Bärbel Dalichow: Der Streit ist Unsinn. Man kann beides feiern. Am 3. November 1911 wurde mit dem Bau der Studios begonnen. Am 12. Februar 1912 fiel die erste Klappe für den Film "Totentanz".

Was passiert bei der Feier am Sonntag?

"Der Totentanz" mit Asta Nielsen läuft in rekonstruierter Fassung, dazu spielt das Filmorchester Babelsberg.

Was assoziieren Sie mit Babelsberg?

Babelsberg ist wie ein Kaleidoskop. Es ist immer die Frage, in welchem Licht man es betrachtet: Ästhetisch? Politisch? Ökonomisch? Fritz Lang, der "Metropolis" gedreht hat, ist weltberühmt, obwohl er das Studio mit seiner Uferlosigkeit beinahe ruiniert hat. Anderseits war sein Film auch für tausende sogenannte kleine Leute eine Quelle des kleinen Überlebensgeldes. Lang hat sie beschäftigt, allerdings unter recht katastrophalen Arbeitsbedingungen.

Bärbel Dalichow

(58) ist promovierte Filmhistorikerin. Seit dem 1. Juli 1990 ist sie Direktorin des Filmmuseums Potsdam. Sie hat auch als Journalistin und Besucherführerin in Sanssouci gearbeitet.

Das Filmmuseum Potsdam zeigt eine Austellung über Babelsberg, die "Traumfabrik" heißt. Was soll damit ausgesagt werden?

Jeder Filmmanager, jeder Filmemacher, jede Zeit träumt eigene Träume. Die Nazis haben davon geträumt, Unterhaltungsfilme zu machen, die die Leute dennoch ideologisch präparieren. In der DDR hat man davon geträumt, endlich bewegende Gegenwartsfilme zu machen und solche, in denen die antifaschistische Grundhaltung der DDR für alle Ewigkeiten fortgeschrieben würde.

Wovon träumt man heute?

Heute wird der Lieschen-Müller-Traum vom globalisierten Film mit berühmten Stars und dem großen Geld geträumt.

Welche Filme, die in Babelsberg gedreht wurden, passen in diese Kategorie?

Das Stalingrad-Epos "Duell - Enemy at the Gates", war der erste teure Film in Babelsberg. "Operation Walküre", "Inglourious Basterds", "Anonymus". Manche potenziellen Filmerfolge sind riesengroß heraustrompetet worden und dann in Schall und Rauch aufgegangen. Film ist ein Hochrisikogeschäft und wird es immer bleiben.

Babelsberg ist heute ein 156.000 Quadratmeter großes Gelände mit 20 Filmateliers. Wie groß war das Areal früher?

Bis 1992 Es waren es 420.000 Quadratmeter. Danach ist das Studio mehrfach geteilt worden, nun gehört es zum größten Teil dem Filmpark. Den kleineren Teil hat Studio Babelsberg, das versucht aber, die Stadt Potsdam zu bewegen, nahe des historischen Filmgeländes Flächen zu erwerben und dem Studio gratis zu überlassen. Geplant ist eine sogenannte Medienstadt zwei.

Wie gut kennen Sie die Studios?

Ich habe dort für meine Doktorarbeit recherchiert und durfte bei Mustervorführungen im Schneidehaus sitzen, wo in der NS-Zeit auch Goebbels saß und in der DDR Zensoren und Künstler. Weil es Ende der 1980er kein Video gab, habe ich mir dort die Filme angesehen, über die ich meine Arbeit geschrieben habe. Seitdem war ich hunderte Male dort.

Warum entscheiden sich Produktionsgesellschaften heute für Babelsberg als Drehort?

Es gibt eine historische Aura, man könnte auch sagen: einen Nimbus oder guten Geist. Ein paar tausend Leute haben dort irrsinnige Sachen auf die Beine gestellt. Das ist ein immaterieller Wert, ebenso wie der Berlin-Hype, der auch hilft. Der materielle Vorteil ist, dass es in Babelsberg Subventionen aus Steuermitteln vom Staatsministerium für Kultur und anderen Förderern gibt. Und dann ist da das großartige Art-Department, das die Tradition des Kulissenbaus hochhält.

Es heißt, die Kulissenbauer hätten ihr Handwerk noch zu DDR-Zeiten bei der DEFA gelernt.

Von den alten Kollegen sind nur noch wenige dabei, aber das Handwerk wird ja von Meister zu Lehrling weitergegeben. Die gebauten Kulissen lassen sich großartig mit computergestützten Animationen kombinieren.

Haben Sie einen persönlichen Lieblingsfilm, der in Babelberg gedreht worden ist?

Ich mag eher die nicht so lauten Filme. Da wäre zum Bespiel "Unter den Brücken". Er wurde 1944/45 an der Havel und an der Glienicker Brücke gedreht. Ein anderer heißt "Jahrgang 45" von Jürgen Böttcher. Die Handlung dreht sich um 20-Jährige, die driften und sich skeptisch die Welt besehen, eine Art Nouvelle Vague. Der Film wurde 1965 in der DDR gedreht. Es hat ihn nur damals keiner gesehen, weil er gleich verboten wurde.

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