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Filmfestspiele in CannesDie Geschichte des ü

■ Ein Dokumentarfilm über Klaus Barbie von Marcel Ophuls

Sowohl sein Vater (Max Ophüls, Filmregisseur, der in der Nazizeit nach Frankreich emigrierte) als auch er selbst, betont Marcel Ophuls im Presseheft, hätten die Denaturalisierung ihres Namens, die aus Ophüls Ophuls gemacht hat, nur widerwillig hingenommen. Der Text aber, in dem das steht, ist mit „Marcel Ophuls“ unterzeichnet. 1970 hat Ophuls mit Le Chagrin et le Pitie ein Tabu gebrochen, das in Frankreich viel strikter gewahrt wurde als in Deutschland: Jahrelang durfte der Film im französischen Fernsehen nicht laufen. Wer ihn sehen wollte, mußte ins Programmkino gehen. Hotel Terminus hatte gestern in einer Nebenreihe des Festivals Premiere. Der Film ist das Ergebnis jahrelanger Recherche und dauert viereinhalb Stunden. Er ist weniger ein Porträt Klaus Barbies als der Aussagen über ihn: Oft genug offenbaren sie mehr, als sie wollen. Ein Spiegelbild, aber in Splittern, die unterschiedlich plan oder verworfen, klar oder blind sind. Ophuls ist immer gleich freundlich und insistent, Tätern wie Opfern gegenüber ironisch, und für das Thema gewissermaßen unverantwortlich hell und leicht. Oft hat er nicht nur die Interviews gefilmt, sondern auch die Versuche, sie zu kriegen, die Abweisung. „Mein Mann möchte sich nicht dazu äußern“, sagt eine Deutsche am Telefon. Es ist seltsam, daß man sich als Deutscher, wenn man in diesem französischen Auditorium sitzt und diesen Film sieht, gar nicht so sehr für die schlimmen und allerschlimmsten Nazis schämt, die da u.a. interviewt werden, als pauschal für die ganze deutsche Sprache. Die Leute tragen Namen wie „Dr. Knittel“, „Karlheinz Müller“ oder „Günter Grass“, und es klingt immer schon grob und schwer, unheimlich und brutal, selbst wenn diese Leute gar nicht so sind. Wie in diesen heuchlerischen französischen Resistance–Streifen, die Anfang der siebziger Jahre in Mode waren, und in denen die Deutschen immer nur „ich warne Sie“, „Achtung“ oder einfach „Ach“ sagen und wo man sich darüber schwarz ärgern konnte, daß sie es auch noch mit einem die Konsonanten betonenden französischen Akzent tun. Aber es klingt wirklich so. Thierry Chervel

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