Film über Odenwaldschule: Die Spuren des Missbrauchsskandals
Sie galt als demokratischste Schule Deutschlands, dann wurden dort die Missbrauchsfälle bekannt. Ein Spielfilm soll nun den ganzen Skandal der Odenwaldschule ausgraben.
Damit war zu rechnen. Die sexualisierte Gewalt an der Vorzeigeanstalt Odenwaldschule soll Stoff für einen Spielfilm werden. "Genug, wir haben in den Dokumentationen genug gesehen!", werden viele rufen.
Das ist leider falsch. Wir wissen über die Verwicklung der linksliberalen Elite in die Vergewaltigungen viel zu wenig. Erst ein Dokudrama könnte der Republik die Augen dafür öffnen, wozu Reformpädagogen fähig sind.
Das Landerziehungsheim im Odenwald galt lange als die demokratischste Schule Deutschlands. In Wahrheit hat dort eine Gruppe von Päderasten sexuellen Missbrauch an Schutzbefohlenen organisiert. Mindestens 130 Schüler wurden Opfer von Gerold Becker, Jürgen Kahle, einem späteren taz-Gründer und weiteren Pädokriminellen. Darüber gibt es Sachbücher und Dokufilme - dennoch ist allenfalls das obere Drittel des Eisbergs sichtbar.
Mehr sachliche Recherche aber ist kaum möglich. Denn die mutmaßlichen Täter, die man wegen Verjährung nicht mehr überführen kann, blockieren mit Unterlassungsverfügungen, dass die ganze Wahrheit ans Licht kommt. Das heißt: Wenn die Wirklichkeit verboten werden kann, dann muss eben die Fiktion den Bürgern zeigen, wie es wirklich war.
Der Regisseur des geplanten Films, Christoph Röhl, hat den wohl dichtesten und umfangreichsten Korpus an Materialien über die liebevoll Oso genannte Päderastenschule. Röhl hat selbst in seiner erschütternden Interviewdoku "Und wir sind nicht die Einzigen" nur Bruchstücke seines Wissens publizieren können. Immer noch gehen viele davon aus, dass der ehemalige hoch angesehene Schulleiter Gerold Becker sich eher zufällig an seinen Schülern verging. Das ist selbstverständlich Unsinn.
Becker hat genau geplant. Er errichtete ein Schülerverteil- und -vergewaltigungssystem. Das konnte er nicht allein - er brauchte eine Täterlobby unter Lehrern, elitären Eltern und jenen erstrangigen Intellektuellen, die um die Odenwaldschule herumschwirrten.
Diese Lobby sichtbar oder wenigstens verstehbar zu machen, könnte lohnendes Ziel eines Films sein. In ihm würden Protagonisten als Charaktere auftreten, die sich bisher strikt weigern, als Mittäter, Verwickelte oder auch nur Zeugen in Erscheinung zu treten. Das beste Personal für einen Film, das man sich denken kann.
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